Man kennt ihn seit zwei Jahrzehnten, seit seinem Gewinn des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs in Brüssel 1997, hauptsächlich als souveränen, fesselnden Interpret der großen Geigenkonzerte. Als solcher ist Nikolaj Szeps-Znaider in dieser Saison auch in seiner Funktion als Residenzkünstler der Wiener Symphoniker zu erleben. Aber nicht nur.

Denn der 43-jährige Däne hat sich in den letzten Jahren auch als Dirigent etabliert, er arbeitet viel mit dem London Symphony Orchestra zusammen, hat auch schon das Cleveland Orchestra oder die New Yorker Philharmoniker geleitet. Und vergangenes Wochenende nun eben die Wiener Symphoniker.

Schnell reagiert

Beethovens Violinkonzert gleich in der Doppelfunktion als Solist und Dirigent zu interpretieren war sicher ein Wagnis – ein Wagnis, welches gut ging, was Koordination und Zusammenspiel anbelangt. Die Symphoniker spitzten die Ohren und reagierten schnell wie ein Kammermusikensemble, Florian Zwiauer gab vom Konzertmeisterpult aus wichtige Einsätze.

Wundervoll wie immer die pointierte Energie im Spiel von Szeps-Znaider, diese minutiös dosierte Dynamik auch im filigranen Passagenwerk, jede Sechzehntelnote akkurat geschnitzt. Den Ton seiner Geige zeichnete Wärme und samtige Weichheit aus, im ersten Satz vermisste man im höchsten Register gleißenden Glanz. Dieser stellt sich dann überraschenderweise zu Beginn des Larghetto ein – der erste ornamentale Kommentar der Geige drängt sich deshalb zu sehr auf. Genial und perfekt die kurze Kadenz im Finalsatz: angriffslustig, vital, satt.

Ein Traum

Dennoch: Wäre da nicht vielleicht noch mehr Intensität und auch Entrückung möglich gewesen, wenn sich Szeps-Znaider allein auf den Geigenpart hätte konzentrieren können – speziell im Kopfsatz? Und im dritten Satz kamen die Wiederholungen des Rondo-Themas in der hohen Lage immer etwas hektisch, die vorangestellten Fermaten wurden einem friktionsfreien Zusammenspiel geopfert.

Nach der Zugabe (Sarabande aus Bachs d-Moll Partita) und der Pause konnte sich Szeps-Znaider dann allein auf die Orchesterleitung konzentrieren, und das war gut so. Denn Brahms‘ Zweite war schlichtweg ein Traum: Da war eine romantische Beseeltheit, die sich nie ins Eckige, Klobige auswuchs, sondern immer eine tänzerische Leichtigkeit hatte, einen jugendlichen, unbeschwerten Vorwärtsdräng…

Ein klanglicher Jungbrunnen

Es schien, als ob der Dirigent seine außerordentlichen Fähigkeiten als Geiger auf das Orchester übertragen hätte. Wundervoll schon diese zarte Morgenstimmung zu Beginn, alles war im Fluss, in Bewegung, großartig die Celli mit dem zweiten Thema: so erfüllt und differenziert gestaltet… Verglichen mit der gesichtslosen, blutleeren Cellogruppe der Wiener Philharmoniker sind die Symphoniker-Kollegen ein klanglicher Jungbrunnen. Begeisterung am Freitagabend im Großen Konzerthaussaal.

Im Mai dirigiert Szeps-Znaider die Wiener Symphoniker erneut, Mahlers erste Symphonie und Auszüge aus Strauss‘ "Capriccio" (mit Krassimira Stoyanova) sind hier zu hören. (Stefan Ender, 25.2.2019)