Auswahl und Gebrauch von Werkzeugen unterscheiden sich bei Schimpansen regional.

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Schimpansen nutzen zur Futtersuche einen ganzen "Werkzeugkoffer" und wenden dabei in unterschiedlichen Regionen ganz verschiedene Techniken an: Sie besitzen eine ausgefeiltere und diversifiziertere materielle Kultur als jeder andere nichtmenschliche Primat. So verwenden etwa ausschließlich westafrikanische Schimpansen in einigen Populationen Stein- und Holzhämmer, um Nüsse zu knacken, obwohl im gesamten Verbreitungsgebiet von Schimpansen Hammerwerkzeuge und Nüsse in großer Menge verfügbar sind.

Ein deutsch-polnisches Forscherteam hat nun in einer Langzeitstudie ein neues Verhaltensrepertoire der östlichen Schimpansen (Pan troglodytes schweinfurthii) aus der Region Bili-Uéré im Norden der Demokratischen Republik Kongo dokumentiert. "Über einen Zeitraum von zwölf Jahren haben wir Schimpansenwerkzeuge und -gegenstände in 20 Studiengebieten dokumentiert und Daten über Kot, Fütterungsreste und Schlafnester der Tiere gesammelt", sagt Hauptautor Thurston Hicks von der Universität Warschau, derzeit Gastforscher am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

Sammeltricks und Schlagtechniken

Hicks und Kollegen beschreiben im Fachblatt "Folia Primatologica" ein ganzes Werkzeugset dieser östlichen Unterart: Sie nutzen lange Stöcke zum Sammeln von Treiberameisen, kurze Stöcke zum Sammeln von Stechameisen und von Honig aus den Baumnestern stachelloser Bienen, dünne kurze Stöcke zum Fangen von Ameisen der Art Dorylus kohli und stabile Stöcke, um unterirdische Nester stachelloser Bienen zu erreichen.

Die Wissenschafter beobachteten eine neue Weiterentwicklung der Schlagtechnik, die mit der Nahrungsverarbeitung zusammenhängt: Die Bili-Uéré-Schimpansen schlagen nicht nur hartschalige Früchte gegen Substrate (wie andere Schimpansenpopulationen auch), sondern sie öffnen mit Hilfe von Schlägen auch die Termitenhügel der beiden Arten Cubitermes sp. und Thoracotermes macrothorax, eine Nahrungsquelle, die Schimpansen in den meisten anderen Regionen Afrikas ignorieren.

Neue Nahrungsquellen

Zudem fanden die Biologen auch Hinweise darauf, dass die östlichen Schimpansen Jagd auf Riesenschnecken und Schildkröten machen – an deren Fleisch gelangen sie ebenfalls durch Schläge. "Beide waren als Nahrungsquellen für Schimpansen bisher nicht bekannt", sagte Hicks. Außerdem bauten die Schimpansen ihre Nester häufig auf dem Boden, was in anderen Regionen eher unüblich sei.

"In der überentwickelten Welt von heute gibt es nur noch verschwindend wenige Möglichkeiten, eine große intakte Menschenaffenkultur zu erforschen, die sich über Zehntausende von Waldkilometern erstreckt", sagt Hicks. "Wir brauchen solche natürlichen Laboratorien, um zu verstehen, wie sich eine materielle Kultur unter gesunden, gedeihenden Hominiden-Populationen verbreitet. Ansonsten wird es uns schwer fallen, die Innovationen unserer eigenen Vorfahren in den Waldgebieten Afrikas vor Millionen von Jahren besser zu verstehen." (red, 28.2.2019)