1. Kämpferisch in unsicheren Zeiten

In schweren Stiefeln mit zentimeterdicken Sohlen marschiert die New Model Army zu den hämmernden Sounds von Marilyn Manson und Laibach durch die Fondazione Prada. Designerin Miuccia Prada lässt Wednesday Addams, Cara Delevigne und Gigi Hadid mit gebleichten Augenbrauen als bezopfte Wiedergängerinnen in Fliegerjacke und Spitzenrock (siehe Foto) auflaufen. Die 69-jährige Modemacherin sendet mit der Kollektion gemischte Signale: Unter den strengen Kampfmonturen werden mit Rosen bedruckte Kleider getragen. Wie sonst ließe sich auf Gefühle von Angst und Unsicherheit, die Hinterlassenschaften der Euro- und der Flüchtlingskrise und die theatralischen Auftritte des italienischen Populisten Matteo Salvini in Polizei- und Carabinieri-Uniformen reagieren? Der Applaus ist Miuccia Prada an diesem Abend sicher.

Prada
Foto: Marco BERTORELLO / AFP

Sie ist nicht die Einzige, die während der Modewoche eine härtere Gangart einschlägt. Daniel Lee zum Beispiel, der neue Designer beim italienischen Modehaus Bottega Veneta, setzt in seinem mit Spannung erwarteten Debüt auf lederne Matrix-Outfits und schwere Stiefel.

Bottega Veneta
Foto: Andreas SOLARO / AFP

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Bottega Veneta
Foto: REUTERS/Alessandro Garofalo

Der Nachfolger des langjährigen Designers Tomas Maier legt einen starken Start hin. Er entfernt sich zwar ein Stück weit von den Designs seines Vorgängers, verliert aber nicht die Charakteristiken des Modehauses (wie das Ledergeflecht Intrecciato) aus den Augen.



2. Karls letzte Mascherln

Große Frage zu Beginn der Mailänder Modewoche: Wie verarbeitet das Modehaus Fendi den Tod seines langjährigen Designers Karl Lagerfeld? Der Deutsche hat 54 Jahre für das italienische Unternehmen gearbeitet, er war mit Silvia Venturini-Fendi für die Damenkollektion verantwortlich. Die Entwürfe, die in Mailand gezeigt werden, sind die letzten, die er gemeinsam mit Venturini-Fendi entworfen hat: Mascherln hat er sich in einem letzten Telefonat mit ihr gewünscht. Sie laufen mehrfach über den Laufsteg. Nach der Show erscheint Venturini-Fendi sichtlich ergriffen vor dem Publikum, für einige Sekunden ist der Designer in einem Film zu sehen: Lagerfeld zeichnet das Outfit, das er 1965 an seinem ersten Tag bei Fendi getragen hat. Als das Licht angeht, wischen sich einige Gäste verstohlen die Tränen aus den Augen.

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Fendi
Foto: AP Photo/Antonio Calanni

3. Lang lebe die Eleganz!

Die einen blasen modisch zum Angriff, die anderen setzen auf Bewährtes. Giorgio Armani zeigte eine Kollektion in Schwarz und Nachtblau. Nicht wie sonst im Teatro Armani, sondern im hauseigenen Museum, den Armani Silos: Anzüge für die Männer und Zweiteiler für die Frauen, die in ganz viel Samt und verspielten Schößchen die Dame spielen durften. Zum Schluss stellte der 84-jährige Altersgenosse des verstorbenen Karl Lagerfeld seine Fitness unter Beweis: Er lief nach der Präsentation noch eine Runde über den Laufsteg.

Giorgio Armani
Foto: APA/AFP/ANDREAS SOLARO

Auch Domenico Dolce und Stefano Gabbana besannen sich auf ihr handwerkliches Können. Das Designer-Duo musste Ende letzten Jahres Federn lassen. Nach Rassismusvorwürfen hatten sie eine Modenschau in Schanghai abgesagt. In Mailand setzten Dolce & Gabbana nun ganz auf Glamour und Eleganz – auch so lassen sich Shitstorms überstehen.

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Dolce & Gabbana
Foto: AP Photo/Antonio Calanni
Dolce & Gabbana
Foto: APA/AFP/MARCO BERTORELLO
Dolce & Gabbana
Foto: Marco BERTORELLO / AFP

4. Keine Frage des Alters

Wer war die Frau im schwarzen Kleid? Richtig, Stephanie Seymour (siehe Foto). Das Supermodel der 90er-Jahre schritt um eine riesige goldene Sicherheitsnadel, die für die Versace-Show (der ersten Pret-à-Porter-Show nach der Übernahme durch Michael Kors' Capri Holding) in der Mailänder Börse aufgestellt wurde. Seymour schloss die Versace -Show in einem Kleid, das an das legendäre Safety-Pin-Dress des Designers angelehnt war und die Jung-Models Kaia Gerber und Kendall Jenner in ihren Grunge-Looks noch blasser aussehen ließ.

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Stephanie Seymour für Versace
Foto: REUTERS/Alessandro Garofalo

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Versace
Foto: REUTERS/Alessandro Garofalo
Versace
Foto: APA/AFP/MIGUEL MEDINA

Ältere Models für eine Show zu verpflichten, gehört heute nicht nur bei der Mailänder Modewoche zum guten Ton – jene Frauen erinnern an die 1980er- und 1990er-Jahre, die Hochzeit der Luxusmodeindustrie – die bei den Millennials heuer ein merkbares Revival feiert. Dies zeigte sich auch beim Casting des Modeunternehmens Etro, das im letzten Jahr das 50. Firmenjubiläum feierte. Die Models Alek Wek (41), Tatjana Patitz (52) und Farida Khelfa (58) wurden ganz besonders von den jungen Influencern beklatscht.

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Farida Khelfa für Etro
Foto: REUTERS/Alessandro Garofalo

5. Stacheln und Metall

Masken mit spitzen Nieten, stachelige Halsbänder – während die Mode bei Gucci in dieser Saison verhältnismäßig schlicht und formell ausfällt, lässt Designer Alessandro Michele die Accessoires sprechen. Dafür greift der Mann, der sich mit Gucci weiterhin im Höhenflug befindet und die Umsätze des Modehauses im letzten Jahr um ein Drittel auf 8,3 Milliarden Euro gesteigert hat, mit Punk-, Gothic- und Fetischelementen in die Retro-Trickkiste: Dass in turbulenten Zeiten die harte Tour angesagt ist, hat eben nicht nur Miuccia Prada verstanden.

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Gucci
Foto: Matteo Bazzi/ANSA via AP

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Gucci
Foto: Matteo Bazzi/ANSA via AP
Marni
Foto: APA/AFP/ANDREAS SOLARO

Auch die Designgarde, die die 1980er-Jahre nur noch aus Fotoalben kennt, macht mit: Marni-Designer Francesco Risso lässt die Models dunklen Lippenstift auftragen und legt ihnen silberne und goldene Gliederketten um Hälse und Hüften. Und der neue Bottega Veneta-Designer Daniel Lee? Er hat in seiner Zeit beim Modehaus Céline gelernt, wie wichtig zeitgemäße Accessoires sind – sein Schmuck für den Herbst: dick und schwer. (feld, 26.2.2019)