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Mark Hollis ist tot. Das Mastermind der britischen Band Talk Talk wurde 64 Jahre alt.

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Von Anfang an war da etwas Besonderes an diesem Typen. Es war nicht das verschmitzte Lachen, das er im Video zu Such a Shame zeigte, nicht die Fliegerohren, es war wahrscheinlich sein nasaler Tonfall. Der wirkte im Nachhinein wie ein Hinweis darauf, dass da noch etwas tiefer Verborgenes in dieser Hitparadenmusik liegen musste.

Zu Beginn aber, da verfing die Musik des Mark Hollis und seiner Band Talk Talk reihenweise in den Charts. Mit Songs wie Another Word, Such a Shame oder It’s My Life, die Kassa klingelte.

Das visionäre Mastermind

Doch mit dem 1986 erschienenen Album Colour of Spring bog die 1981 in London gegründete Band in Gefilde ab, in denen sie einige der definitiven Meisterwerke ihrer Zeit aufnehmen sollte. Den Weg dorthin wies Mark Hollis.

Der am 4. Jänner 1955 in London geborene Musiker war das Mastermind von Talk Talk. Ein Visionär, dem die Kommerzialisierung der Musik gegen sein Kunstverständnis lief und der sich zusehends in Verweigerung übte, an den Musikbusinessritualen mitzuwirken. Nun ist Mark Hollis gestorben, er wurde 64 Jahre alt.

Mit The Colour of Spring (1986) wurde die Band experimenteller. Sie entsagte zusehends dem Synthesizer zugunsten einer wärmeren und organischen Form. Das war kein radikaler Wandel, doch Hollis extrahierte aus Popmusik eine neue Ästhetik.

Talk Talk 1986: Life Is What You Make It.
Zsolt Peter Kodner

Seine Songs wuchsen zu kleinen Epen, repetitive Muster wurden wichtiger als eingängige Refrains – wobei Hollis es auch verstand, beides meisterlich zusammenzuführen. Etwa in Life Is What You Make It oder Give It Up. Monolithische Songs, denen Hollis' Stimme eine entrückte Schönheit verpasste; das Album wurde ein Hit.

Visionäre Arbeiten

Noch zwei weitere Alben veröffentlichte die Band. Spirit of Eden 1988 und Laughing Stock 1991. Darauf beschritten Hollis und Co Neuland. Die beiden Alben bescherten Talk Talk in den 1990ern den Ruf, die Gründerväter des Genres Postrock zu sein. Beides waren visionäre Arbeiten. Hollis spielte mit Ambient-Sounds, ließ den Liedern viel Zeit zu wachsen, diese offenbarten ihre scheue Schönheit nur langsam, dafür mit umso größerer Nachhaltigkeit.

I Believe In You von Spirit of Eden.
ColourOfSpring

Laughing Stock erschien auf dem Label Verve. Mit dem Label EMI hatte Hollis sich zu der Zeit überworfen, weil es ohne seinen Segen zwei Kompilationen mit Material der frühen Talk Talk veröffentlicht hatte – damit wollte Hollis nichts mehr zu tun haben.

Jam-Sessions

Art Rock nannte man Laughing Stock damals. Das Album ist geprägt vom Wechselspiel von laut und leise, dem Dehnen und Komprimieren von Songstrukturen – und von Auslassungen. Hollis nahm es in atmosphärischen Jam-Sessions auf, über ein Jahr dauerte es, bis er mit den Resultaten zufrieden war.

Zu Buche schlug das nicht, doch Einspielergebnisse interessierten Hollis längst nicht mehr. Seine ätherische Schönheit sollte das Album über die Jahre ohnehin in den Rang eines zeitlosen Meisterwerks erheben, eine Band wie Elbow wäre ohne Laughing Stock kaum vorstellbar, Formationen wie Portishead oder Radiohead werden nicht müde, Talk Talk als wesentliche Inspiration für ihre Kunst zu nennen.

Ascension Day von Laughing Stock.
Deafening Sounds of My Mind

Talk Talk bestanden zu dieser Zeit nur noch aus Hollis und Lee Harris, nach dem Album lösten sie sich auf, die Legende begann. Hollis zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, widmete sich ganz seiner Familie, war durch mit dem Musikbusiness.

Erst 1998 gab er ein Lebenszeichen. Damals erschien ein titelloses Soloalbum, das einen Mann auf dem Weg in die Stille zeigte. Spärlich instrumentierte Etüden am Rande der akustischen Wahrnehmung, ausgependelt zwischen stiller Schönheit und der langen Weile. Nun ist dieser Meister gänzlich verstummt. (Karl Fluch, 26.2.2019)