Der Riesenröhrenwurm lebt an den Hängen von Tiefsee-Thermalquellen, den sogenannten Schwarzen Rauchern.

Foto: Monika Bright

Auch wenn es uns nicht bewusst ist: Die meisten Organismen leben in Symbiose mit einer Vielzahl von Bakterien. Der Mensch ist da keine Ausnahme: Man denke nur an die Bedeutung der Darmflora für unsere Gesundheit. Wenige Lebewesen hängen jedoch so auf Gedeih und Verderb von ihren mikroskopisch kleinen Mitbewohnern ab wie der Riesenröhrenwurm (Riftia pachyptila): Er hat als Erwachsener weder Mundöffnung noch Darmtrakt und ernährt sich ausschließlich über die Bakterien, die er in seinem Körper beherbergt.

Während die Würmer jedoch seit ihrer Entdeckung 1981 ausgiebig untersucht wurden, weiß man über ihre Symbionten deutlich weniger. Monika Bright vom Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Universität Wien will mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF mehr über diese merkwürdige lebenserhaltende Beziehung erfahren.

Riftia pachyptila lebt nur im Pazifik, und zwar in etwa 2500 Meter Tiefe an den Hängen von Tiefsee-Thermalquellen, sogenannten Schwarzen Rauchern. Dort befinden sich die Würmer in selbst abgesonderten, bis zu zwei Meter langen Wohnröhren, aus denen sie ihre langen, blutroten Tentakel herausstrecken.

Die Tentakel dienen aber nicht etwa dazu, Nahrung für die Würmer zu beschaffen. Vielmehr nehmen sie aus dem Meerwasser verschiedene Chemikalien auf und geben sie an die Bakterien ab.

Anorganische Stoffe

Diese sind autotroph, ernähren sich also – im Unterschied zu Tieren – von anorganischen Stoffen. Anders als die photoautotrophen Pflanzen, die die Energie für ihre Ernährung aus dem Sonnenlicht gewinnen, sind die Bakterien chemoautotroph, d. h., sie gewinnen die Energie aus chemischen Prozessen – in diesem Fall aus Schwefelwasserstoff bzw. Sulfid.

Die Schwierigkeit für die Würmer: Schwefelwasserstoff ist hochgiftig. Er besetzt im Blutfarbstoff Hämoglobin die Bindungsstellen für Sauerstoff und verhindert so dessen Transport. Die Röhrenwürmer lösen das Problem, indem ihr Hämoglobin zwei Andockstellen hat: eine für Sauerstoff und eine für Schwefelwasserstoff.

Mit der Energie aus dem Schwefelwasserstoff erzeugen die Bakterien eine Reihe von organischen Verbindungen, wie verschiedene Zucker, die sie großteils an ihre Wirte abgeben. Diese haben sogar ein eigenes Organ, in dem die Symbionten leben, eine vielfach gelappte Höhlung, das Trophosom.

Nun sind zwar die Bakterien extrem langlebig, nicht aber ihre Wirte. Wenn die Schwarzen Raucher nach rund 20 Jahren ihre Aktivität einstellen, weil sich durch die ausgefällten Mineralien ihre Öffnungen verstopfen, ist es auch mit Riftia vorbei.

Im kürzlich angelaufenen FWF-Projekt wollen Monika Bright und ihre Mitarbeiterinnen unter anderem herausfinden, wie sich dieser Prozess auf das Zusammenspiel mit ihren Symbionten auswirkt: Wie reagieren die Bakterien darauf, wenn "ihr" Wurm plötzlich nicht mehr so viele Chemikalien bereitstellt? Zahlen sie es ihm sozusagen heim, indem sie ihm ihrerseits weniger Nährstoffe zur Verfügung stellen? Oder verlassen sie ihn einfach?

Den Wirt verlassen

Dass sie zu Letzterem imstande sind, konnte Bright schon früher zeigen: Sie versetzte einige Würmer und ihre Bakterien in normales Meerwasser, dem es an den lebenswichtigen Chemikalien mangelt. "Nach zwei Tagen waren die Bakterien weg", erinnert sich Bright, "das heißt, sie verlassen den Wirt nicht nur, wenn er stirbt, sondern auch bei extremem Stress."

Wie sie das genau machen, ist allerdings noch unklar. "Wir wissen, dass die Bakterien tote Würmer über die Haut verlassen", erklärt Bright, "wahrscheinlich geht das auch über lebende Haut, aber das müssen wir noch nachweisen."

Klar ist bereits, dass die Bakterien – im Unterschied zu den erwachsenen Würmern – auch selbstständig lebensfähig sind. Riftia pflanzt sich über frei schwimmende Larven fort, die sich einen geeigneten Platz an einer Thermalquelle suchen und sich dort festsetzen.

Erst zu diesem Zeitpunkt werden sie von den Bakterien besiedelt und bilden den Darmtrakt zurück. "Um zu den Larven zu kommen, müssen die Bakterien fähig sein, zumindest eine Zeitlang im freien Wasser zu überleben", wie Bright erklärt. Fragt sich eigentlich nur noch: Wie ernähren sie sich in dieser Zeit?

"Sie haben die genetische Ausstattung für Heterotrophie – also für die Ernährung durch organische Stoffe", wie Bright ausführt. Fraglich ist, ob und wann sie sie nützen, etwa um einen "unkooperativen" Wirt vorzeitig zu verlassen. Um das herauszufinden, hat Bright bereits im Zuge einer früheren Forschungsreise Experimente mit den Röhrenwürmern und ihren Symbionten durchgeführt.

Dabei hielt sie die Würmer in Meerwasser mit viel, wenig oder gar keinem Schwefelwasserstoff, sodass sie ihre Bakterien gut, schlecht oder gar nicht mit dieser Energiequelle versorgen konnten. In der Folge wurden die Symbionten tiefgekühlt, wobei auch ihre genetische Aktivität zu diesem Zeitpunkt konserviert wurde.

Im aktuellen FWF-Projekt werden nun die zum Zeitpunkt des Einfrierens herrschenden Gen-Expressionsmuster untersucht. Diese sollen Aufschluss darüber geben, inwieweit die Symbionten auf Heterotrophie umstellen, wenn die Versorgung durch den Wirt zu wünschen übrig lässt.

Zuckermoleküle anbieten

In einem zusätzlichen Versuch will Bright den Bakterien markierte Zuckermoleküle anbieten, und zwar sowohl frei lebenden Bakterien als auch solchen, die in einem toten Wirt festsitzen. Wenn die Symbionten imstande sind, den Zucker aufzunehmen, ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass sie von ihren Wirt nicht so abhängig sind, wie es auf den ersten Blick scheint.

Bleibt die Frage, warum sie sich dann überhaupt so stark an die Röhrenwürmer binden. "Erstens haben sie im Inneren von Riftia keine Konkurrenz", gibt Bright zu bedenken, "und zweitens ist der Lebensraum um die Schwarzen Raucher, wo sie die nötigen Chemikalien finden, verhältnismäßig klein und instabil. Die Würmer stellen da einen relativ sicheren Lebensraum dar" – einen Lebensraum, den Bright in den nächsten Wochen bei einer neuerlichen Forschungsreise wieder einmal näher untersuchen wird. (Susanne Strnadl, 2.3.2019)