Große Show: Conchita Wurst beim Finale des 60. Song Contest 2015, den sie mit ihrem Sieg im Jahr davor nach Wien holte. Wesentlich verantwortlich für ihr Antreten: ORF-Langzeitunterhalter Edgar Böhm.

Foto: APA / Geog Hochmuth

Ausschreibung für den ORF-Unterhaltungschef im September 2018. Schon damals gab es Channel-Manager für ORF 1 und ORF 2. Nun sollen sie die zentrale Funktion obsolet machen.

Faksimile: Amtsblatt / Wiener Zeitung

Kein halbes Jahr ist es her, da schienen der ORF und sein Alleingeschäftsführer Alexander Wrabetz noch einen TV-Unterhaltungschef zu brauchen. Österreichs größter und öffentlicher Medienkonzern schrieb den Job am 18. September 2018 aus.

Einem ORF-Manager empfahl er die sichere Bewerbung, er schickte Kandidaten durch ein aufwendiges Hearing vor einer Reihe gutbezahlter ORF-Führungskräfte, ließ Redakteurinnen und Redakteure über die Besetzung abstimmen. Und bestellte dann doch lieber keinen neuen Unterhaltungschef. Nur einen befristeten, vorläufigen. Keinen, der oder die sich um die Funktion beworben hat.

Besetzungsliste

Die Besetzung dieses Unterhaltungsstücks:

  • Roland Brunhofer – den Exlandesdirektor in Salzburg motivierte Wrabetz zur angeblich sicheren Bewerbung.
  • Dorotea Gradistanac – die langjährige TV-Entwicklerin fanden die vier mit dem Hearing betrauten ORF-Manager zumindest genauso geeignet für den Job; bei gleicher Qualifikation wäre laut Gesetz eine Frau vorzuziehen. Die Redakteure stimmten klar für Gradistanac.
  • Alexander Hofer – der Channel-Manager von ORF 2 wurde Ende 2018 interimistischer Unterhaltungschef.

Diesen Zwischenschritt, statt den ausgeschriebenen Unterhaltungschef fix zu bestellen, erklärte ORF-Chef Wrabetz schon im Herbst mit der neuen Channel-Struktur für ORF 1 und ORF 2.

Hofer wäre eigentlich der logische Nachfolger von Unterhaltungschef Edgar Böhm gewesen – er hat etwa Neun Plätze, neun Schätze entwickelt. Doch der langjährige Seitenblicke-Chef Hofer war da eben schon Channel-Manager von ORF 2.

Eine originelle Zwischenlösung fand Wrabetz da im Herbst. Der Channel-Manager von ORF 2 leitet im Nebenerwerb die ganze TV-Unterhaltung, also auch Shows und Kinderprogramm auf ORF 1.

Bis Ende März, wenn das wichtigste ORF-Gremium Stiftungsrat wieder tagt, will Wrabetz das schon etwas zähe Stück beenden, heißt es derzeit im ORF. Und es sieht stark danach aus, als wären die Ausschreibung, der Auswahlprozess und der Job als Nachfolger des pensionierten Langzeitchefs Edgar Böhm längst Geschichte: Wrabetz dürfte die TV-Unterhaltung auf die beiden Senderchefs von ORF 1 und ORF 2 aufteilen und den zentralen Unterhaltungschef einsparen.

Die Channel-Manager für ORF 1 und ORF 2 waren aber auch schon vier Monate im Dienst, als der ORF Mitte September den künftigen Unterhaltungschef ausgeschrieben und gecastet hat.

Was tut eigentlich ein ORF-Unterhaltungschef? Edgar Böhm (und der damaligen TV-Direktorin Kathrin Zechner) verdankt Österreich Herausragendes wie Conchita Wurst als Song-Contest-Siegerbeitrag 2014 und damit den doch ziemlich erfolgreichen ESC in Wien. In Böhms Verantwortung fielen Formate und Kopien von Taxi Orange und Starmania über Die große Chance bis zum letzten großen Überlebenden Dancing Stars, ein vom ORF erfolgreich eingebürgertes BBC-Format, zuletzt die rasch verräumten Versuche Meine Mama kocht besser als deine und Zur Hölle damit.

Inzwischen setzt der ORF im Showprogramm bis auf Dancing Stars vor allem auf günstigere Koproduktionen mit deutschen Öffis.

Der Charme des Sparens

Die Aufteilung der Unterhaltung würde eine künftige ORF-Struktur mit weniger Hauptabteilungsleitern (und dafür verdoppelten Channel-Strukturen) vorwegnehmen. Derzeit liegen alte Struktur mit Programmdirektorin und Hauptabteilungsleitern und neue mit Channel-Managern kreuz und quer übereinander. Die – politisch wesentliche – TV-Information hat Wrabetz sofort mit den Channel-Managern geteilt.

Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-Fraktion im ORF-Stiftungsrat und Vorsitzender des Finanzausschusses, erklärt schon seit einigen Jahren sinngemäß: Wenn sich der ORF schon multimediales Arbeiten vornimmt, dann sollte er nicht in alten Strukturen nachbesetzen. Solche Hinweise könnten ORF-Chef Wrabetz auch im Herbst von der Bestellung Roland Brunhofers abgebracht haben. Brunhofer, laut Eigendefinition Sozialdemokrat, hat einige Fans in der Regierungspartei FPÖ, aber auch unter bürgerlichen ORF-Stiftungsräten gibt es Anhänger des hemdsärmeligen Horuck-Managers.

Andere Hauptabteilungen wiederum könnten künftig über alle ORF-Medien arbeiten. Die Führung von Wissenschaft/Religion etwa wurde nach Gerhard Kleins Abschied vorerst gar nicht ausgeschrieben. (Harald Fidler, 27.2.2019)