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Nordkoreanische Dissidenten protestieren gegen Kim Jong-un.

Foto: Reuters Kim Hon-il

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Kim Jong-un auf dem Weg in sein Hotel.

Foto: Reuters / Silva

Ankunft in Vietnam.

Foto: AFP/Nguyen

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International wird das Treffen mit Interesse verfolgt, wie hier in Tokio.

Foto: Reuters / Kato

Während Kim Jong-un aus seinem gepanzerten Zug in Hanoi aussteigt, haben sich vier Flugstunden nördlich auf dem Seouler Gwanghwamun-Platz mehrere Dutzend nordkoreanische Flüchtlinge versammelt: Mit entschlossener Miene und martialischen Schlachtrufen halten sie das durchgestrichene Konterfei des nordkoreanischen Machthabers in die Luft, bevor sie die Plakate vor den Kameras der Fernsehteams theatralisch in Stücke reißen.

Für die nordkoreanischen Dissidenten steht fest: Kim Jong-un sei ein Blender, der niemals seine Atomwaffen aufgeben werde. Tatsächlich halte er noch immer am selben Ziel fest, das bereits sein Großvater, Staatsgründer Kim Il-sung, verfolgt hat: der Wiedervereinigung der Koreanischen Halbinsel unter der Flagge Pjöngjangs. Das Gipfeltreffen mit US-Präsident Donald Trump bringe ihn einen Schritt näher.

Skeptische Neugierde

Ihre Meinung ist südlich der entmilitarisierten Zone deutlich in der Minderheit. Die meisten Südkoreaner blicken auf Trumps und Kims Annäherung mit Wohlwollen bis skeptischer Neugierde. Erst am Montag lobte Südkoreas Präsident Moon Jae-in Trumps Nordkorea-Diplomatie für ihre "mutige Entschlossenheit". Viele seiner Landsleute sehen das ähnlich. Laut einer aktuellen Umfrage des koreanischen Marktforschungsinstituts Realmeter zeigen sich zudem 62 Prozent der Bevölkerung optimistisch, dass der bevorstehende Gipfel in Hanoi positive Resultate bringt.

Wie diese aus südkoreanischer Sicht aussehen, hat Präsident Moon in jüngster Zeit immer deutlicher zum Ausdruck gebracht: Die nukleare Abrüstung Nordkoreas genießt weiterhin hohe Priorität, doch ist sie auch Mittel zum Zweck. Denn der linksgerichtete Politiker kann seinen innerkoreanischen Annäherungskurs nur dann weiter vorantreiben, wenn die Nuklearverhandlungen nicht scheitern. Er braucht ebenfalls eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea.

Wirtschaftliche Interessen

Seoul und Pjöngjang möchten nämlich gleichfalls die zwei innerkoreanischen Projekte wiedereröffnen, die ursprünglich um die Jahrtausendwende während der sogenannten Sonnenscheinpolitik initiiert worden sind. Dabei handelt es sich zum einen um eine von Hyundai-Asan finanzierte Hotelanlage im nordkoreanischen Diamantengebirge, die sich exklusiv an südkoreanische Touristen richtet. Zwischen 1998 und 2008 hatten insgesamt zwei Millionen das Resort besucht.

Wesentlich umstrittener dürfte die Wiedereröffnung der Sonderwirtschaftszone am Rande der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong sein, wo bis zur Schließung im Jahr 2016 südkoreanische Fabrikbesitzer mithilfe von nordkoreanischen Arbeitskräften ihre Waren produzierten. Kritiker behaupten, dass das Regime in Pjöngjang mit den durch die Sonderwirtschaftszone eingenommenen Devisen sein Nuklearprogramm maßgeblich vorangetrieben habe.

Yoo Chang-geun hatte in Kaesong eine Fabrik für Automobilteile geleitet. "Ich glaube, dass die innerkoreanische Wirtschaftszusammenarbeit ein Wendepunkt wird, um Frieden zu erreichen", sagt der Geschäftsmann. Er hofft darauf, dass die Sonderwirtschaftszone schon bald wiedereröffnet wird. "Aufgrund niedriger Kosten ist die Wettbewerbsfähigkeit in Kaesong sehr hoch", sagt Yoo. Zudem sei der logistische Aufwand im Vergleich zu anderen Standorten minimal.

Gefährdeter Machtanspruch

Kims Motivation ist klar: Sein Land braucht bitter benötigte Auslandsdevisen, ohne die er seine Versprechen an die eigene Bevölkerung nicht einhalten können wird. Als erster Machthaber Nordkoreas proklamierte er Wohlstand und Konsum. Sollte selbst die Elite in Pjöngjang künftig ihre Gürtel enger schnallen müssen, könnte dies Kim Jong-uns Machtanspruch von innen bedrohen.

"Kim Jong-un ist extrem smart und intelligent, aber er hat einen erbarmungslosen Charakter. In den ersten fünf Jahren hat er sein Regime durch eine Terrorherrschaft begründet", sagt Thae Yong-ho, der als höchstrangiger nordkoreanischer Überläufer in Südkorea gilt. 2016 floh der ehemalige Vizebotschafter in London. Er warnt jedoch davor, auf Kim Jong-uns Charmeoffensive hereinzufallen: "Niemand auf der Welt kann Nordkorea dazu bringen, sein Atomprogramm aufzugeben."

Viele Experten halten jedoch einen praktischen Kompromiss für möglich: Washington und Pjöngjang könnten sich darauf einigen, ein gemeinsames Verbindungsbüro zur ständigen Kommunikation einzurichten. Zudem könnte Kim Jong-un anbieten, im Gegenzug zu einer teilweisen Lockerung der Wirtschaftssanktionen einzelne Komponenten seiner Atomproduktion abzurüsten – etwa den Nuklearreaktor Yongbyon. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 27.2.2019)