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Frauen verdienen in Österreich zehn Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes um gut 50 Prozent weniger als im Jahr davor. Verantwortlich dafür ist Teilzeitarbeit.

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Frauen und Männer, deren Elternkarenz bald zu Ende geht, bekommen regelmäßig Post vom Arbeitsmarktservice. Das AMS wendet sich mit ein paar Ratschlägen zum Wiedereinstieg an die Eltern. Einer lautet: "Lässt es Ihre berufliche Situation zu, arbeiten Sie eine möglichst hohe Stundenzahl pro Woche oder Vollzeit."

Gerichtet ist das Ganze an Frauen. Erst Ende Jänner hat eine Studie von Wissenschaftern der Universität Zürich und der Princeton University gezeigt, welche langfristigen Lohnverluste Frauen in Österreich erleiden, wenn sie ein Kind bekommen. Selbst zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes liegt das Erwerbseinkommen von Frauen im Schnitt um 51 Prozent unter demjenigen im Jahr vor der Geburt. Der Hauptgrund ist, dass Frauen, selbst wenn sie in den Job zurückkehren, weniger arbeiten als vorher. Bei Männern ist das nicht der Fall.

Teilzeitfalle

In der österreichischen Politik vollzieht sich derzeit ein Wandel bei der Betrachtung dieser Teilzeitfalle. Das Sozialministerium unter Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat soeben neue arbeitsmarktpolitische Zielvorgaben für das AMS publiziert. Diese Zielvorgaben sind ein strategischer Wegweiser für das AMS. Sie münden im Regelfall nicht in konkret umsetzbare Maßnahmen für Arbeitssuchende. Als politische Leitlinien des zuständigen Ministeriums kann das AMS die Vorgaben aber auch nicht ignorieren.

Die neuen Ziele unterscheiden sich jedenfalls in einigen Punkten stark von den bisherigen Vorgaben, die noch aus der Zeit stammen, als die SPÖ im Sozialministerium das Sagen hatte. Ein paar Beispiele.

Wahlfreiheit

So wurde bisher festgehalten, dass Frauen "über die längerfristigen Auswirkungen einer Teilzeitbeschäftigung" aufgeklärt werden sollen und dass Frauen, die Teilzeit arbeiten, aber Vollzeit suchen, besonderer Unterstützung bedürfen. Es fand sich außerdem der Hinweis, dass Teilzeitbeschäftigung "sich langfristig negativ auf die Erwerbssituation von Frauen auswirkt".

In den neuen Vorgaben des Sozialministeriums gibt es diese Hinweise nicht mehr. Stattdessen heißt es dort nun: "Ziel ist es, echte Wahlfreiheit für Frauen zu ermöglichen. Frauen sollen dadurch die freie Entscheidung treffen können, ob sie ihre Kinder selbst zu Hause erziehen, oder ob sie wieder teilzeitbeschäftigt oder voll arbeiten wollen." Das AMS soll danach trachten, gemeinsam mit Unternehmen "qualifizierte Teilzeitstellen" zu schaffen.

Und weiter im neuen Text: Das AMS soll wieder verstärkt Langzeitarbeitslose, ältere Menschen, Jugendliche und Frauen unterstützen. Doch ein konkreter Passus dazu wurde gestrichen. Bisher hieß es in den Zielen, dass "50 Prozent der Aufwendungen des aktiven Arbeitsmarktbudgets für Frauen zu dotieren sind". Stattdessen steht jetzt allgemeiner, dass "konkrete Arbeitsmarktchancen von Frauen zu erhöhen sind".

Ziel vor über zehn Jahren fixiert

Die Vorgabe mit den 50 Prozent stammt aus dem Jahr 2006, als noch Martin Bartenstein (ÖVP) der zuständige Arbeitsminister war. Seine Nachfolger aus der SPÖ haben die Vorgabe übernommen. In Österreich sind traditionell weniger als die Hälfte der beim AMS gemeldeten Jobsuchenden Frauen. 2018 lag der Anteil bei 45,2 Prozent. Das 50-Prozent-Ziel führt also zu einer Überförderung.

Weil es auch viele andere Vorgaben für das AMS gibt, etwa dass ältere Langzeitarbeitslose besonders unterstützt werden müssen und in diese Gruppe vor allem Männer fallen, wurde das 50-Prozent-Ziel in der Vergangenheit öfter verfehlt. Nicht aber 2018, da hat das AMS 50,5 Prozent seiner Mittel für Frauen aufgewendet.

Ob und wie sich die Änderungen auswirken werden, ist offen. Das Sozialministerium gibt die Leitlinien vor. Die zu erreichenden konkreten Ziele für das AMS formuliert der Verwaltungsrat. Dort sitzen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Vertreter der Regierung. Für 2019 gibt es vom Verwaltungsrat eine eigene Vorgabe, wonach Frauen mit 50 Prozent gefördert werden müssen. Zunächst ändert sich also nichts. 2020 dürfte es dann aber anders sein.

Weniger überbetriebliche Lehre

AMS-Chef Johannes Kopf sagt im STANDARD-Gespräch, dass er an der Überförderung von Frauen weiter festhalten möchte – er will dazu einen Vorschlag in den Verwaltungsrat einbringen: Statt der fixen Vorgabe wie bisher soll es ein flexibles Ziel geben, wonach Frauen im Vergleich zu ihrem Anteil an den Arbeitslosen "um x Prozent" zusätzlich gefördert werden sollen. Der Prozentsatz müsse ausverhandelt werden.

Bei den Arbeitnehmervertretern im AMS gibt es an der neuen strategischen Ausrichtung Kritik. "Österreich gehört mit Deutschland zu jenen Ländern, in denen eine Babypause zu besonders starken finanziellen Einbußen führt", sagt Gernot Mitter von der Arbeiterkammer. "Angesichts dessen sollte Teilzeitarbeit nicht derart ins Zentrum gerückt werden."

Die Arbeitgeber sehen es so: Besonders in der Wirtschaftskrise, als mehr Männer ihre Jobs verloren, habe sich gezeigt, dass ein 50-Prozent-Förderziel nicht sehr praktikabel ist, sagt Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer. Das Sozialministerium betone zudem weiterhin, Frauenförderungen zu forcieren. Er sehe also keine Nachteile.

Auf den Punkt, dass die Erreichung des Förderziels in der Vergangenheit mit einer starren 50-Prozent-Regel oft schwierig war, verweist auch AMS-Chef Kopf.

Das Sozialministerium argumentiert so: "Der Beitrag des AMS für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt wird fortgesetzt", heißt es in einer Stellungnahme. Frauen, die nach einer Karenz zurückkehren wollen, werden weiter unterstützt werden. Und: 2019 sei ja das 50-Prozent-Ziel vom Verwaltungsrat ohnehin vorgegeben.

Weitere Strategieänderungen:

· In den alten Zielsetzungen fand sich viel zu Migration. So war die Rede davon, dass Migranten am Arbeitsmarkt öfter mit Arbeitslosigkeit kämpfen. Für Migranten müsse die ganze Palette an Förderungen offenstehen, wurde betont.

In den neuen Zielen findet sich nichts Inhaltliches zu Migration, sondern nur zu Flüchtlingen. So heißt es etwa, dass seitens des AMS "intensive Vermittlungsbemühungen" zu treffen sind, um Flüchtlinge "in niederschwellige Arbeitsangebote (bspw. Erntehelfer) zu forcieren."

· Forciert werden soll der Kampf gegen den Fachkräftemangel. Und: "Die betriebliche Lehre ist bei gleichzeitiger Reduktion überbetrieblicher Ausbildungseinrichtungen auf das zwingend notwendige Ausmaß zu priorisieren." Etwas mehr als 8000 Menschen absolvierten zuletzt eine überbetriebliche Lehre. Dabei findet die Ausbildung in einer AMS-Bildungseinrichtung statt. Von Unternehmerseite gibt es dafür Lob. Unternehmer beklagen immer wieder, dass ihnen Lehrlinge fehlen, weil diese eine überbetriebliche Lehre absolvieren. (András Szigetvari, 27.2.2019)