Eine kriminelle Gruppe geriet ins Visier österreichischer Ermittler. Sie war die Spitze eines Eisbergs.

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Gut ein Jahr nach dem Aufdecken des mutmaßlichen Bitcoin-Pyramidenspiels Optioment ist neuerlich ein großflächiger Anlagebetrug über Onlineplattformen aufgeflogen. Zu den europaweit tausenden Opfern zählen auch Österreicher, insgesamt soll die Tätergruppe laut Bundeskriminalamt (BKA) einen Schaden von schätzungsweise 100 Millionen Euro jährlich verursacht haben. Dazu wurden in Bulgarien und in der Tschechischen Republik professionelle, konzernartige Strukturen geschaffen.

Im September 2017 ist die kriminelle Gruppe ins Visier österreichischer Ermittler nach einer Meldung bei der Geldwäschestelle des BKA geraten, auch in Niederösterreich wurden Ermittler in der Sache tätig. "Wir sind schnell auf die internationale Dimension gestoßen, daher haben wir eine Ermittlungsgruppe mit Deutschland ins Leben gerufen", erklärt Manuel Scherscher, Abteilungsleiter Wirtschaftskriminalität im BKA, auf Anfrage.

Bulgare in Auslieferungshaft

Ab Ende Jänner wurden die bulgarischen Kollegen mit Unterstützung österreichischer und deutscher Kollegen tätig: Nach der Durchsuchung von Räumlichkeiten bei insgesamt 21 Firmen und vier Adressen von Verdächtigen wurde ein Bulgare, der als Hauptverdächtiger geführt wird, festgenommen. "Wir haben den Kopf abgeschnitten", sagt Scherscher über den Mann mittleren Alters, der sich in Auslieferungshaft vor der Überstellung nach Österreich befindet.

Das dürfte allerdings nur die Spitze des Eisbergs gewesen sein. Nach den bisherigen Erkenntnissen wurden von den Opfern nachweislich 66 Millionen Euro in das System eingezahlt, davon elf aus Österreich und Deutschland. Nach der Auswertung der sichergestellten Daten dürften sich diese Summen aber noch vervielfachen. "Da kommt noch einiges", kündigt Scherscher an. "Daraus wird sich ein interessantes Gesamtbild ergeben."

Netzwerk aus Tarnfirmen

Im Zuge der bisherigen Ermittlungen stießen die Behörden auf eine Organisation mit konzernartigen Strukturen. Zusammen mit Behörden in Bulgarien und der Tschechischen Republik wurde ein "aufwendig konstruiertes" Netzwerk aus Tarn- und Scheinfirmen zur Geldwäsche offengelegt sowie eigene Einheiten zur Entwicklung von speziell auf Anlagebetrug ausgerichteter Software, die auch anderen Interessenten für kriminelle Machenschaften zum Kauf angeboten worden sein soll.

Zudem betrieb die Tätergruppe um den Bulgaren eigene Callcenter mit 20 bis 30 Personen zur "Opferbetreuung", wie es Scherscher bezeichnet. Sie wurden jedoch als "kleine Fische" nicht verhaftet. Ihre Aufgabe bestand darin, neue Opfer anzulocken und diese bei Laune zu halten, damit sie ihr Geld nicht abziehen bzw. im Verlustfall sogar frisches nachschießen. Und die Verluste sind stets eingetreten – bzw. wurde dies den Kunden so dargestellt. Eigentlich befand sich das Geld schon längst im Geldwäschesystem der Täter.

Hohe Gewinnversprechen

Auch über soziale Netzwerke oder Massenmails wurden die Opfer mit hohen Gewinnaussichten geködert. Diese sollten mit Anlageformen wie sogenannten Binären Optionen – in Österreich sind diese hochriskante Finanzwetten untersagt – oder Kryptowährungen wie Bitcoin erzielt werden. Abgewickelt wurde der Betrug über Onlineplattformen, wo die Opfer zunächst mit Scheingewinnen "angefixt" worden seien, erklärt Scherscher.

Rückstellungen für Auszahlungen wurden nicht gefunden, sichergestellt wurde bloß ein sechsstelliger Eurobetrag.

Zu den Onlineplattformen der Täter zählten laut BKA zahlreiche Websites wie Xtrader FX, Optionstars, Optionstars Global, Goldenmarkets, Safemarkets oder Cryptopoint. In der Causa hatte die heimische Finanzmarktaufsicht (FMA) vor einer der genannten Plattformen, Optionstars Global, sowie acht weiteren nach Hinweisen aus dem Markt im März 2018 gewarnt.

Im Gegensatz zum Anfang 2018 aufgeflogenen Optioment-Skandal, bei dem Opfer um einen zweistelligen Millionenbetrag geprellt wurden, zählen im aktuellen Fall keine Österreicher zu den Verdächtigen. Bei Optioment waren zwei Steirer und ein Niederösterreicher, die als "Musketiere" bezeichnet wurden, im Vertrieb tätig. Diese sehen sich aber selbst als Opfer mutmaßlicher Hintermänner.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt laut Stand von Anfang Februar gegen elf namentlich bekannte Täter und einen Verband. Zu Festnahmen ist es in der Causa Optioment bisher nicht gekommen. (Alexander Hahn, 27.2.2019)