Drei Tische, offene Küche, Fleisch von einem anderen Stern: Im Ganko auf der Seilerstätte wird japanisch gegrillt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Im Ganko ist Fleisch einerseits aus australischer Züchtung verfügbar, anderseits aus dem südlich von Kobe gelegenen Kagoshima.

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Weil er eher nicht der diplomatische Typ ist, haben Kollegen in Tokioter Küchen Zaw Zaw Tun einst "Ganko" getauft, den Sturen. "Ich musste ihnen versprechen, mein erstes eigenes Lokal so zu nennen", sagt der Mann, der mit Unkai und Christian Petz' Badeschiff, dem Do-&-Co-Catering der AUA-First-Class nach Tokio und, zuletzt, sechs Jahren im Mochi schon etliche der interessanteren Küchen Wiens mit seinem Wissen um echt japanische Küchentechniken bereichert hat.

Kurz vor Weihnachten sperrte er sein Ganko auf, eine winzige Hütte mit drei Tischen, Miniküche und einem Kühlschrank, in dem es Bier und Sake, Cola und Multivitaminsaft gibt – aber keinen Wein. "Ich bin noch nicht dazugekommen", sagt Tun, "meine Freunde vom Mochi haben aber schon einen Plan, was ich einkaufen soll."

Die sollen sich gefälligst sputen, so ein Abend im Ganko hat nämlich die Tendenz, eher länger zu dauern. Und wer seinen Durst mit Sake stillt, kann beim Verlassen des Lokals ganz schön ins Schlingern kommen. Aber egal, die Prüfung der Leber gehört zu einem japanischen Grillabend aus kulturellen Gründen dazu.

Umami-Tsunami

Heizung in dem Sinn gibt es auch keine, dafür mehrere Heizstrahler, die einen von oben rösten, während man darauf wartet, dass die Herrlichkeiten auf der stählernen Yakiniku-Grillplatte fertigbrutzeln, worauf man sie, wenn man mag, in ein mit Miso-Salsa gewürztes Salatblatt wickelt und einwirft. Ha!

Die Sauce ist der nackte Wahnsinn, ein Umami-Tsunami, den die Euphorie-Trigger im Hirn kaum adäquat einzuordnen wissen. Dementsprechend schalten sie auf gnadenlose Endorphinausschüttung, worauf man das Zeug trinken möchte vor Glück. Geht nicht, ist schließlich ein japanisches Restaurant.

Abgesehen davon schmeckt die Sauce mit hauchdünn geschnittenem, ergo tiefgekühlt serviertem (und auch als solches auf die Grillplatte zu hievendem) Knusperbauchfleisch mindestens noch einmal so gut.

Tun ist ursprünglich Burmese, verließ Yangon aber schon als Kind in Richtung Japan, wo ihm Sprache und gastronomische Kultur zur wahren Heimat wurden. Dass der Fleischverzehr dort bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts per Gesetz verboten war, scheint heute unvorstellbar. Immerhin gilt Wagyu, das bis zum Anschlag gemästete Fettrind, längst als begehrenswertestes Rindfleisch überhaupt.

Schmelz!

Im Ganko ist es einerseits aus australischer Züchtung (eh geil) verfügbar, anderseits aus dem südlich von Kobe gelegenen Kagoshima – den Schmelz, den das (durchaus kraftvoll anzubratende) Fleisch entwickelt, kann man getrost als außerirdisch bezeichnen.

Nicht minder exotisch sind Herrlichkeiten, die offenkundig für japanische Expats bereitgehalten werden: Gebärmutter vom Schwein etwa, von erstaunlich an Meeresschnecken erinnernder Konsistenz und vergleichbar ursprünglichem Aroma. Tun zur richtigen Art des Verzehrs: "Erst Gummigummi, dann Sake, Sake, dann wieder Gummigummi".

Wer genug Fleisch gegrillt hat, muss noch Platz für Ishiyaki-Bibimbap haben, eine japanisierte Version des koreanischen Klassikers. Und dramatisch raffinierter: Der Reis mit fermentiertem Gemüse, Fleisch und rohem Ei ist in einer glühend heißen Steinschüssel arrangiert, erst bei Tisch wird unter Zischen und Fauchen umgerührt. Und weitergegessen, als ob es kein Morgen gäbe.

Die Suppen, ob Yukgaejang (ebenso koreanischen Ursprungs) mit geschmortem Rind und Kimchi, oder mit Seetang (ganz klar, auf Basis von Wagyu-Abschnitten!) sind Kompendien der Kraft und Harmonie, wie sie nur große Köche zusammenbringen. Reservierung ist natürlich Pflicht. (Severin Corti, RONDO, 1.3.2019)

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