Nürnberg – Nach dem Fackelmarsch von Rechtsextremisten auf dem ehemaligen NS-Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ist eine Debatte über die Konsequenzen entstanden. Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) verurteilte den Aufmarsch. "Es ist eine Erscheinung, die uns alarmieren muss – in ganz Deutschland und natürlich speziell auch in Nürnberg –, dass mit solchen Symbolen an solchen Orten gearbeitet wird", sagte Maly am Dienstag.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter forderte in einer Anfrage an die Staatsregierung eine Erklärung, warum der Fackelmarsch von Polizei und Behörden nicht unterbunden wurde. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Mittelfranken waren am Samstagabend 18 Rechtsextremisten zunächst vor einer Flüchtlingsunterkunft in Nürnberg-Langwasser aufmarschiert. Die Gruppe habe sich aus überregionalen Aktivisten der NPD und der Gruppe "Wodans Erben Germanien" zusammengesetzt. Die Polizei habe deren Identitäten festgestellt und vorsorglich von jedem Teilnehmer Bildaufnahmen gemacht, weil die Versammlung nicht angemeldet gewesen sei. Den Teilnehmern wurde schließlich ein Platzverweis rund um die Unterkunft ausgesprochen. Daraufhin zogen sie sich zurück.

Marsch zu symbolischen Plätzen

Als dann die Einsatzwagen der Polizei abgezogen waren, sammelten sich die Neonazis erneut und marschierten mit angezündeten Fackeln zum Reichsparteitagsgelände, wo die Nationalsozialisten einst ihre Massenveranstaltungen abgehalten hatten. Dort posierten sie auch auf der Zeppelintribüne, von der aus in den 1930er-Jahren Adolf Hitler gesprochen hatte.

"Der Fortgang des Geschehens wurde nicht ausreichend erkannt. Insofern ist es bedauerlich, dass trotz der präventiven polizeilichen Maßnahmen eine rechtsgerichtete Gruppierung den historisch belasteten Ort für ihre Propagandazwecke missbrauchte", teilte die Polizei mit.

Von dem Fackelzug kursierte im Internet ein Video. Dieses werde geprüft, sagte ein Sprecher der Polizei. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ermittle zudem, ob der Tatbestand der Volksverhetzung vorliege, sagte deren Sprecher Philip Engl. Das Nürnberger Ordnungsamt will nach eigenen Angaben ein Bußgeldverfahren gegen die Organisatoren einleiten.

Heftige Kritik

Die Bürgerbewegung Allianz gegen Rechtsextremismus bezeichnete den Vorfall als Skandal. "Beim Ansehen dieser Bilder fühlen wir uns unweigerlich zurückversetzt in das dunkelste Kapitel deutscher und Nürnberger Geschichte", sagte der Vorsitzende Stephan Doll. Er forderte eine breite Diskussion, wie solche Aktionen verhindert werden können.

Nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz (BayLfV) handelt es sich bei "Wodans Erben Germanien" um eine rechtsextremistische Gruppierung. Diese organisiert Patrouille im Sinne einer "Bürgerwehr". Damit sollen demnach Ängste vor Migranten geschürt und suggeriert werden, dass der Staat nicht mehr in der Lage ist, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Mit Fackelumzügen wollten Rechtsextremisten Präsenz im öffentlichen Raum zeigen, um Menschen mit Migrationshintergrund und politische Gegner einzuschüchtern.

Im vergangenen Jahr hätten ähnliche Patrouillen in Augsburg, Donauwörth, Kempten, München und Würzburg stattgefunden. Der Fackelmarsch am ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände der NSDAP sei jedoch eine neue Qualität, sagte ein Verfassungsschutz-Sprecher. "Hier ist von einer bewussten Anlehnung an den historischen Nationalsozialismus auszugehen."

Auffällig sei der erstmalige öffentliche Schulterschluss von "Wodans Erben" mit NPD-Aktivisten. Allerdings verzichteten die NPD-Aktivisten während des Fackelzugs in Nürnberg auf jegliche NPD-Symbolik wie rote Schutzzonen-Warnwesten, betonte der Sprecher des Verfassungsschutzes. Den Videokanal "Patrioten TV Nürnberg" betreibt nach Angaben des Verfassungsschutzes ein ehemaliger Aktivist der Nürnberger NPD-Tarnliste "Bürgerinitiative Ausländerstopp". (APA, 26.2.2019)