Die Abreise von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zu Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau verzögerte sich am Dienstagabend: Der Premier musste erst noch eine aufgebrachte Öffentlichkeit beschwichtigen. Auf seiner Facebook-Seite war im Rahmen von "Likud TV" ein Video veröffentlicht worden, in dem der Sprecher Avishai Ivri Netanjahus Herausforderer Benny Gantz angreift: "Gantz ist links, und links ist gefährlich." Im Hintergrund eingeblendet: Soldatengräber auf dem Herzlberg in Jerusalem. Mit einer linken Regierung werde es noch mehr Gewalt und Tote geben, so Ivri.

Die zwei stärksten Herausforderer von Premierminister Benjamin Netanjahu, Benny Gantz (links) und Yair Lapid (rechts), haben ein Bündnis für die Wahl geschlossen.
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Ivri wurde nun – gemeinsam mit den anderen für das Video Verantwortlichen – bis auf Weiteres suspendiert. Es war die Konsequenz, die Netanjahu zog, nachdem ein Sturm der Entrüstung losgebrochen war. Kritik kam nicht nur von Gantz' Bündnis "Blau-Weiß", Netanjahus größtem Konkurrenten im Wahlkampf. Auch die Organisation Yad Labanim, die sich um das Andenken gefallener Soldaten kümmert, sowie Angehörige jener Soldaten, deren Gräber in dem Video gezeigt wurden, waren aufgebracht. "Ich weiß nicht, welcher Psychopath auf die Idee gekommen ist, gefallene Soldaten und Politik zu vermischen", wurde der Leiter von Yad Labanim, Eli Ben Shem, von israelischen Medien zitiert. Kurz darauf entschuldigte sich Netanjahu auf Facebook und sprach von einem "Redaktionsfehler" in der Likud-Zentrale. Er habe veranlasst, die Bilder zu entfernen und den Fall zu untersuchen.

Umstrittene Wahlkampfmanöver

Das Video ist derzeit nicht das einzige umstrittene Wahlkampfmanöver im rechten Lager: Netanjahu steht seit Tagen in der Kritik, weil er dafür gesorgt hat, dass eine radikale Kleinstpartei mit hoher Wahrscheinlichkeit den Sprung ins Parlament schaffen wird. Er hatte der nationalreligiösen Partei HaBayit HaYehudi ("Jüdisches Heim") zwei Ministerposten versprochen, sollte sie sich mit der radikalen Partei Otzma Yehudit ("Jüdische Stärke") zusammenschließen. Damit wollte Netanjahu sicherstellen, dass Stimmen im rechten Lager nicht verloren gehen. Denn alleine würden es die beiden Parteien wohl kaum über die 3,25-Prozent-Hürde schaffen. Umfragen zufolge könnte das Bündnis nun fünf Sitze ergattern – und würde bei einem Wahlsieg Netanjahus die Ministerium für Bau und für Bildung bekommen.

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Benjamin Netanjahu greift unter Druck zu fragwürdigen Wahlkampfmanövern.
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In Israel sind viele darüber empört: Mehrere Parteien haben sich bereits einer Petition angeschlossen, die verhindern soll, dass die Mitglieder der "Jüdischen Stärke" in die Knesset einziehen. Unterzeichnet hat neben der kleinen Linkspartei Meretz auch Lapids Zukunftspartei, die nach eigenen Angaben alles in ihrer Macht Stehende tun will, um den Einzug der Anhänger von Meir Kahane in die Knesset zu verhindern.

Kahane war ein radikaler Rabbiner, dessen Kach-Partei wegen Rassismus bereits in den 80er-Jahren aus der Knesset ausgeschlossen wurde. Einer seiner Anhänger, Baruch Goldstein, verübte 1994 das Massaker im muslimischen Teil des Patriarchengrabs in Hebron, bei dem 29 Palästinenser getötet wurden. Zu Kahanes Anhängern zählen heute auch die Kandidaten Itamar Ben-Gvir und Michael Ben-Ari.

Ben-Gvir befürwortet offen, das gesamte Westjordanland zu annektieren und all jenen Arabern die Staatsangehörigkeit zu entziehen, die sich nicht loyal gegenüber dem Staat verhalten. Als Anwalt vertritt er radikale jüdische Aktivisten, die in Fällen von Terrorismus oder Hassverbrechen angeklagt sind. 2007 wurde Ben-Gvir selbst wegen Rassismus und der Unterstützung einer Terrorgruppe verurteilt. Während der Verhandlungen über die Oslo-Vereinbarungen war er an gewalttätigen Protesten gegen Yitzchak Rabin beteiligt – der wurde 1995 während einer Friedensdemo in Tel Aviv von einem jüdischen Extremisten erschossen.

Kritik aus Übersee

Kritik an Netanjahus Unterstützung für das radikalreligiöse Bündnis kommt aber nicht nur aus der Opposition. Selbst jüdisch-amerikanische Organisationen wie Aipac sowie das Amerikanisch-Jüdische Komitee (AJC) mischen sich mittlerweile ein: "Die Ansichten von Otzma Yehudit sind verwerflich. Sie spiegeln nicht die Grundwerte des Staates Israel wider", heißt es auf dem Twitter-Account des AJC. Aipac ließ per Twitter wissen, man verfolge seit langem die Politik, Mitglieder dieser rassistischen und verwerflichen Partei nicht zu treffen.

Das Zentrale Wahlkomitee muss nun darüber entscheiden, ob die Kandidaten der "Jüdischen Stärke" aus dem Rennen ausgeschlossen werden. Bündnisschmied Netanjahu selbst dürfte derzeit ganz andere Probleme haben: Bereits am Donnerstag soll Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit Berichten zufolge bekanntgeben, ob er den Premier wegen Korruption anklagen wird. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 27.2.2019)