Ein Streit über den Chef bei Air France-KLM lässt die Wogen auch politisch hochgehen.

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Eine europäische Regierung kauft heimlich Aktien eines Großkonzerns, um die Staatsführung eines Partnerlandes vor vollendete Tatsachen zu stellen: Mit diesem verblüffenden Szenario ist der schwelende Streit zwischen Paris und Amsterdam in Sachen Air France-KLM offen ausgebrochen. Die Regierung in Den Haag teilte am Mittwochabend mit, man habe 14 Prozent der Anteile an Air France-KLM für 744 Millionen Euro erworben.

Damit ziehen die Niederlande gleich mit Frankreich, das an dem 2003 fusionierten Unternehmen 14,3 Prozent der Anteile hält. Hoekstra verhehlte nicht, dass der sehr unübliche Schritt aus nationalen Motiven geschehe. Ziel ist es offensichtlich, die französische Vormachtstellung im Konzern zu brechen oder zumindest auszugleichen: "In den vergangenen Jahren erhielten die niederländischen Interessen bei wichtigen Entscheidungen für den gesamten Konzern nicht genügend Gewicht", erklärte Hoekstra.

Interner Streit als Auslöser

Auslöser war ein interner Streit um die Verlängerung des Mandats von KLM-Chef Pieter Elbers. Die Franzosen, die im gemeinsamen Verwaltungsrat von Air France-KLM die Mehrheit haben, wollten den Niederländer zuerst nicht im Amt bestätigen, obwohl er die Unterstützung der KLM-Gewerkschaften und ihrer Direktion genossen hatte. Auch hatte er in den letzten Jahren bedeutend bessere Resultate eingefahren als die Partnerin Air France: Während diese nur auf eine Betriebsmarge von 1,7 Prozent kommt, erreichte KLM eine Marge von 9,8 Prozent.

Air France-KLM hatte sich erst nach einer Petition von KLM-Mitarbeitern dazu bewegen lassen, Elbers im Amt zu lassen. Die niederländische Seite war dadurch aber besänftigt. Im Gegenzug sucht die Regierung in Den Haag nun gleich lange Spieße zu schaffen, um mehr Mitsprache zu erhalten.

Macron schwer verärgert

Die französische Regierung hielt ihren Ärger am Mittwoch kaum zurück. Emmanuel Macron erklärte, weder der Verwaltungsrat noch die französische Regierung seien von dem niederländischen Kapitaleinstieg informiert worden. Der niederländische Finanzminister sei nach Paris eingeladen worden, um seine Position zu "klären".

Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire fügte an, ein Unternehmen wie Air France-KLM sollte "ohne nationalstaatliche Einmischung" geleitet werden. Genau dies praktiziert seine eigene Regierung seit Jahren bei Air France-KLM. Le Maire hatte es wiederholt abgelehnt, den Kapitalanteil seines Landes zu reduzieren, wie das von niederländischer Seite gewünscht worden war.

Aktienkurs im Sinkflug

Der Aktienkurs von Air France-KLM brach am Mittwoch um teilweise bis zu 14 Prozent sein. Das war der stärkste Rückgang seit 2002. Die Märkte fragen sich wohl, ob ein partnerschaftliches Auskommen überhaupt noch möglich sei. KLM-Chef Elbers versteht sich sehr schlecht mit dem seit einem halben Jahr amtierenden Konzernvorsteher Benjamin Smith. Der gebürtige Kanadier will KLM stärker in das Gesamtunternehmen integrieren, wohl nicht zuletzt, um dessen Gewinnrechnung dank der guten KLM-Zahlen aufzupolieren.

Die Niederländer lehnen dies kategorisch ab und verlangen, dass Air France zuerst selber seine gravierenden Strukturprobleme lösen solle. Die französische Airline leidet seit Jahrzehnten unter Streiks, aber auch unter einem Management aus Staatsfunktionären. Sie vermögen wenig gegen die allmächtigen Piloten, die selbst mit geringer Erfahrung auf einen Bruttomonatslohn von 20.000 Euro kommen. Dieser liegt einiges höher als bei Lufthansa, British Airways oder KLM.

Und dafür wollen die Niederländer, die einen Gutteil ihres operativen Gewinns nach Paris abführen, nicht länger zahlen. Offenbar haben sie wirklich genug von den Verhältnissen in Paris. Le Monde kommentierte, der Börsen-Raid der niederländischen Regierung klinge wie eine "Kriegserklärung". (Stefan Brändle, 28.2.2019)