Ayanie H. macht eine Ausbildung bei einem Bauunternehmen in Deutschland. Diese kann er dort mit Gewissheit abschließen.

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Wien – Mit einer Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte sollen mehr qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich kommen. Den fast 700 Lehrlingen, die in den nächsten Wochen abgeschoben werden könnten, hilft das nichts. Trotz Ausbildungsplatzes droht hunderten Asylwerbern die Abschiebung.

Rudi Anschober, grüner Landesrat in Oberösterreich, wird nicht müde zu betonen, dass dies eine "Lose-lose-Situation" sei. Die Ausbildungsbetriebe würden auf ihrem investierten Geld sitzenbleiben und die Lehrlinge um eine Zukunftsperspektive gebracht werden. 1297 Unternehmen hat Anschober bereits hinter sich versammelt. Gemeinsam fordern sie in einer weiteren Pressekonferenz die Bundesregierung zum Handeln auf.

"Wir haben in dieser wichtigen Frage jetzt fünf vor zwölf. In den nächsten Wochen drohen viele Abschiebungen. Es braucht eine Lösung mit Vernunft", betont Anschober, der die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" ins Leben gerufen hat. Der Grund für die Dringlichkeit: Die Entscheidungen in zweiter Instanz für die betroffenen Asylwerber – bei einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von eineinhalb Jahren – dürften kurz bevorstehen. In der ersten Instanz im Asylverfahren haben die Auszubildenden einen negativen Bescheid erhalten.

Bis zu 127.000 Fachkräfte fehlen bis 2030 allein in Oberösterreich

Die Pressekonferenz sei als Aufschrei zu verstehen, sagt Anschober. Allein in Oberösterreich würden nach offiziellen Angaben 2030 bis zu 127.000 Fachkräfte fehlen. Als Unterstützung hat Anschober eine ganze Reihe Vertreter aus der Wirtschaft mitgebracht. Auch gewöhnlich harte Konkurrenten sitzen hier zusammen: Gerhard Drexel, Vorstandsvorsitzender von Spar, fordert gemeinsam mit Johannes Zimmerl, Direktor des Personalwesens bei der Rewe Group, Auszubildende nicht abzuschieben. "Dieses Thema ist zu wichtig, als dass wir uns hier als Konkurrenten begegnen", sagt Zimmerl. 22 von 25 Flüchtlingen, die 2015 im Konzern eine Ausbildung begonnen hätten, arbeiteten immer noch dort, so Zimmerl. Er würde gerne weitere Asylwerber beschäftigen.

Auch Spar hätte Bedarf, wie Drexel betont. Immerhin würden 300 bis 400 Lehrlinge fehlen. Bisher beschäftigt das Unternehmen 20 Asylwerber. Es müsse Sicherheit dafür geschaffen werden, dass die Lehrlinge ihre Ausbildung hier beenden können, so Drexel. Deswegen schlägt die Initiative erneut eine Übernahme des deutschen "3+2-Modells" vor. Trotz negativen Asylbescheids können Lehrlinge dort ihre dreijährige Ausbildung abschließen und danach zwei Jahre im Beruf weiterarbeiten.

Reform für die Rot-Weiß-Rot-Karte

Im Ministerrat am Mittwoch unternahm die Regierung indes einen weiteren Schritt, doch noch Fachkräfte aus dem Ausland nach Österreich zu locken. Die Rot-Weiß-Rot-Karte soll angepasst werden. Die erforderlichen Gehaltsgrenzen sollen dafür gesenkt und das Kriterium der ortsüblichen Unterkunft gestrichen werden. Statt der erwarteten 8000 wurden jährlich bisher nur rund 2000 Karten vergeben. Die Reform soll noch vor dem Sommer im Parlament beschlossen werden.

Fachkräftemangel und Integration beschäftigen auch Anschober. Mit ihm habe die Regierung bisher nicht sprechen wollen, sagt der grüne Politiker, der auch Wirtschaftsforscher Karl Aiginger als Verstärkung mitgebracht hat. Für den Ex-Wifo-Chef ist die Rhetorik der "Ausreisezentren" symptomatisch für den Regierungskurs beim Thema Integration. (jugi, 28.02.2019)