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Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan versucht guten Wind für die Ende März stattfindenden Wahlen zu machen.

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Istanbul – Es ist dies die jüngste Maßnahme der Regierung, im Vorfeld der Wahlen die trübe wirtschaftliche Lage etwas aufzuhellen. Am 31. März finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Es sind die letzten Wahlen für die kommenden vier Jahre. Gerade jetzt aber droht der AKP in den großen Städten Istanbul und Ankara eine Wahlschlappe. Grund ist die Wirtschaftskrise, die sich mittlerweile im Alltag der meisten Türken bemerkbar macht.

Die Inflation liegt bei rund 20 Prozent. Vor allem die stark gestiegenen Gemüsepreise treiben die Menschen um.

Verkaufsstellen für Gemüse

Anfang Februar richtete die Regierung deswegen eigene Verkaufsstellen ein, an denen sie Auberginen, Zwiebeln und Tomaten zu verbilligten Preisen verkauft. Andere Maßnahmen sind makroökonomischer Art: So wurden die Mindesteinlagereserven der Banken reduziert. Das Problem nur: Das kann zwar kurzfristig Wirtschaftswachstum und Zufriedenheit der Konsumenten anheizen, mittelfristig aber treibt es die Inflation nach oben.

Zusätzlich zur Laufzeitverlängerung erleichterte die Bankenaufsicht am Dienstag außerdem die Umschuldung von Konsumentenkrediten. Schuldner können jetzt Kredite bis zu Höhe von 120.000 Lira (20.000 Euro) auf die kommenden fünf Jahre umschulden – sprich deren Rückzahlung verschieben. Staatliche Banken vergeben deswegen Kredite, deren Zinssatz deutlich unterhalb der Inflationsrate liegt.

Warnung vor Bankenkrise

Die Ratingagenturen S&P und Moody's warnten deswegen vor Risiken im türkischen Bankensektor. Berat Albayrak, Finanzminister und Schwiegersohn von Präsident Tayyip Erdoğan in Personalunion, aber wies daraufhin, dass diese Maßnahmen dazu dienten, die Inflation zu bekämpfen. Wie auch sein Schwiegervater tendiert er zu der – ökonomisch bizarren – Theorie, dass hohe Zinsen eine hohe Inflation nicht bekämpfen, sondern sie erst verursachten.

Anders als in Griechenland ist die Staatsverschuldung in der Türkei kein Problem. Die liegt bei äußerst moderaten 27,7 Prozent (in Griechenland ist sie etwa sechsmal so hoch). Ein wunder Punkt der türkischen Wirtschaft aber ist die hohe private Verschuldung. Für viele türkische Konsumenten ist es völlig normal, mehrere Kreditkarten bis zum Anschlag zu belasten. Volkswirtschaftlich sind vor allem die hohen Unternehmensschulden eine Gefahr. Viele Firmen haben sich in den vergangenen Jahren in Dollar und Euro verschuldet, solang die Zinsen günstig waren. Mit dem Absturz der türkischen Lira vergangenen Sommer stieg deren Schuldenlast plötzlich rasant an. Die Folge waren Insolvenzen und eine Schieflage der Banken, die die Kredite vergeben hatten. Das genaue Ausmaß ist unbekannt.

Nötig wäre jetzt, in den sauren Apfel zu beißen und die Geldmenge zu verknappen. Aber das ist so kurz vor den Wahlen für die Regierungspartei keine Option. Das wahre Ausmaß der türkischen Wirtschaftskrise dürfte sich deswegen erst im Frühjahr nach den Wahlen offenbaren. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 28.2.2019)