Geht es nach Peter Schröcksnadel, soll Österreichs Spitzenlanglauf nicht mehr aufstehen. Aus dem Verband werfen kann er die Sparte nicht.

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Für Kurzentschlossene: In der Seefelder "Villa Edeltraud zum See" ist ein Apartment frei – idyllisch gelegen und doch zentrumsnah, perfekt ausgestattet. Eine fast sensationelle Vakanz vor dem letzten Wochenende der blendend gebuchten nordischen Weltmeisterschaft.

Sieben Vormieter, darunter Langläufer aus Estland, Kasachstan und Österreich, kamen in Innsbruck in Polizeigewahrsam. Die Sportler wurden am Donnerstag einvernommen und dann auf freien Fuß gesetzt. Nach der "Operation Aderlass", die das Seefelder Wintermärchen empfindlich störte, war Untersuchungshaft mangels Flucht- oder Tatbegehungsgefahr nicht angezeigt. Wer wie einer der Österreicher mit einer Nadel in der Vene betreten wird, hat auch nichts mehr zu verdunkeln.

Gegen jenen deutschen Mediziner, der an der Spitze des Dopingskandals von Seefeld steht, wurde jetzt ein Haftbefehl erlassen. Er soll unter anderem zwei österreichischen Langläufern beim Eigenblutdoping geholfen haben.
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Am Tag nach den Razzien und Festnahmen nur eine Gehminute vom WM-Quartier der österreichischen Langläufer entfernt sowie in Erfurt, wo ein Mediziner und dessen Vater abgeführt und allerhand für Blutdoping notwendige Gerätschaften sichergestellt worden waren, quoll Seefeld über vor Fans, die zum Langlauf drängten – die Staffel der Damen stand an, unabhängig vom Polizeieinsatz ohne Gastgeberinnen.

Österreichs Spitzenlanglauf ist abgesehen vom Familienprojekt Teresa Stadlober auch wegen seiner reichen Dopinghistorie völlig am Boden. Am Aufkommen ist mehr denn je zu zweifeln, nachdem Skiverbandspräsident Peter Schröcksnadel ("Ich bin ein Alpiner!") den Mittelentzug angedroht hat. Der Langlauf werde auf ganz neue Beine gestellt. Wegen der "zwei Trottln", wie sich der 77-Jährige auszudrücken beliebte.

Zäher Langlauf

Aus dem Verband zu eliminieren ist der Langlauf nicht, wie Schröcksnadel schon infolge des Turiner Olympiaskandals hatte feststellen müssen – hunderte Vereine und tausende langlaufende ÖSV-Mitglieder stehen dem entgegen. Die aktuelle Funktionärs- und Trainerriege steht allerdings zur Disposition. Sportdirektor Markus Gandler, seit 2003 für Langlauf und Biathlon verantwortlich, muss seinen Platz räumen. Ein "politisches Opfer" nennt Schröcksnadel den 52-jährigen Tiroler, der auch auf Ö1 beteuerte, nichts von den Malversationen gewusst zu haben. Sportler seien nicht rund um die Uhr zu überwachen. Zur Illustration überraschte Gandler den Moderator mit der Frage, ob der zum Beispiel wisse, was seine Frau genau in diesem Augenblick tue.

Der Dopingskandal bei der nordischen Ski-WM weckt bei Bernhard Kohl Erinnerungen. Er schließt nicht aus, dass auch andere Sportarten betroffen sein könnten.
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Wie die Aushungerung des Spitzenlanglaufs in Österreich mit der von Schröcksnadel und seinen Adlaten verfochtenen Einzeltätertheorie zusammengeht, ist offen. Der Präsident hat jedenfalls die Linie für die restlichen WM-Tage vorgegeben. "Wir werden weiter eine tolle WM für saubere Sportler und die vielen Fans organisieren. Für Idioten sind wir nicht verantwortlich", sagte OK-Chef und Bürgermeister Werner Frießer. Bei den Konkurrenzen werden die Tatsachen ohnehin ausgeblendet. Die Sieger verbitten sich Fragen zum Thema.

Arzt drohen zehn Jahre Haft

Während den in Seefeld erwischten Sportlern bis zu drei Jahre Haft drohen, wenn sie wegen Sportbetrugs angeklagt werden, ist der Verlust der Approbation noch die geringste Sanktion, die der in Erfurt festgenommene Mediziner zu gewärtigen hat. Der 40-Jährige war jahrelang im Radsport engagiert, auch beim Team des als Doper überführten Österreichers Bernhard Kohl. Vor wenigen Jahren soll er laut "Süddeutscher Zeitung" angegeben haben, etwa 50 bis 60 Spitzensportler regelmäßig betreut zu haben, "vor allem Schwimmer, Radsportler, Fußballer, Handballer und Leichtathleten".

In nächster Zeit werden wohl allerhand von Antidopingagenturen eingefrorene Blutproben aus diesen Bereichen zur Nachanalyse aufgetaut werden. Der als Drahtzieher einer kriminellen Organisation bezeichnete Mediziner kann nach dem Arzneimittel- oder dem Dopinggesetz angeklagt werden. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. (Sigi Lützow aus Seefeld, 28.2.2019)