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Der größte Risikofaktor auf der Straße ist immer noch der Mensch. Der Mensch hinterm Steuer, um genau zu sein.

Foto: chinaface/Getty

Der Mensch fürchtet sich bekanntlich vor den falschen Dingen. Vor Terroranschlägen statt vor Herzinfarkt. Vor Flugreisen statt vor Lungenkrebs. Und kaum jemand erzittert, ehe er ins Auto steigt. Dabei wäre das eine angemessene Reaktion – angesichts der Gefahren, die auf der Straße lauern. In Österreich starben allein 2017 insgesamt 414 Menschen bei Verkehrsunfällen. Dass auf der Straße heute weniger gestorben wird als früher, heißt nicht, dass die Straßen sicherer geworden sind. Es beweist eher, dass die Notfallmedizin besser arbeitet. Die Unfälle insgesamt und die dabei Verletzten werden nämlich nicht weniger – es waren 2017 immerhin 47.258. Es ist gelungen, dass Verkehrsunfälle weniger dramatisch enden. Es ist nicht gelungen, sie zu verhindern. Verkehrssicherheit bedeutet aber, dass Unfälle gar nicht erst passieren.

Gott lenkt nicht

Hier setzen Innovationen im Bereich der Verkehrssicherheit an: bei der Vermeidung von Unfällen. Der größte Risikofaktor auf der Straße ist immer noch der Mensch. Der Mensch hinterm Steuer, um genau zu sein. Jeder dritte Verkehrsunfall mit Todesfolge im Vorjahr passierte, weil ein Lenker oder eine Lenkerin abgelenkt oder unachtsam war. Jeder vierte tödliche Unfall geschah, weil jemand zu schnell fuhr.

Zu den heute ins Fahrzeug integrierten Computersystemen kommen in jüngster Zeit Innovationen, die außerhalb der Autos an der Sicherheit arbeiten. Die Roboterpsychologin Martina Mara von der Johannes-Kepler-Universität Linz hat mit dem Ars Electronica Futurelab beispielsweise die Kommunikation zwischen Mensch und Roboterautos erforscht. Dafür baute sie mit Kollegen einen weltweit einzigartigen Simulationsraum. Dort lässt sich detailliert nachbilden und analysieren, wie intelligente Autos und Menschen im Verkehr aufeinander reagieren und wie das Sicherheitsempfinden der Fußgänger gesteigert werden kann. Die Daten helfen, Gefahrenquellen zu identifizieren und auszuschalten.

Helmi kann abfahren

Ein neuralgischer Punkt, an dem sich Mensch und Maschine sehr nahe kommen, sind Schutzwege. Im Vorjahr starben in Österreich sieben Fußgänger auf Zebrastreifen, 2017 waren es elf. Der Fußgänger als schwächstes Glied auf der Straße steht bei einigen aktuellen Forschungsprojekten im Mittelpunkt. Etwa bei der Mobility Observation Box, die das AIT Austrian Institute for Technology entwickelt und erfolgreich getestet hat: Was aussieht wie ein etwas cooleres Vogelhaus, nimmt die Sicherheit von Schutzwegen ins Visier. Anhand von Algorithmen erkennt die Box unterschiedliche Verkehrsteilnehmer, bewertet ihr Verhalten nach objektiven Kriterien und macht die Sicherheit der Schutzwege dadurch vergleichbar. Die Technologie schließt eine Lücke, indem über längere Zeitraum Daten erfasst werden, die bis dahin in dieser Qualität nicht verfügbar waren.

Schau auf die Straße!

Bereits länger ein Auge auf Verkehrssicherheit geworfen haben Eye-Tracking-Anwendungen wie das in Wien entwickelte Viewpointsystem VPS 19, das demnächst auch mit einer Mixed-Reality-Kombination auf den Markt kommt. Derartige Datenbrillen erkennen bewusste und unbewusste Wahrnehmungen des Trägers und analysieren sie. Wer eine Strecke mit der Brille auf der Nase abfährt, legt offen, wohin sein Blick bei Gegenverkehr, beim Überholen oder bei Gegenlicht wandert. Das können sich Fahrschulen zunutze machen, Verkehrsplaner und Straßenbauer: Ist die Strecke so gestaltet, dass wenig ablenkt, sind Schilder gut positioniert? Ist die Aufmerksamkeit dort, wo sie sein soll? Die Brille könnte helfen, Gefahrenpunkte ausfindig zu machen und zu eliminieren.

Aktuelle Innovationen im Bereich Verkehrssicherheit haben eines gemeinsam: Sie wollen den Einfluss des Menschen auf den Verkehr möglichst reduzieren und kontrollieren. Sie wollen den Verkehrsteilnehmern helfen, Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu umgehen. Das Tempo zügeln, wo man zu schnell ist. Alarm schlagen, wenn die Sinne vernebelt sind. Ablenkung reduzieren. Oder das Steuer gleich ganz übernehmen.

Wie beim automatisierten Fahren: Zu hohes Tempo, Müdigkeit, Alkohol und Nesteln an Smartphone oder Radio sollen als Unfallursache damit weitgehend ausgeschaltet werden. Perfekt sind diese Systeme nicht: Auch selbstfahrende Autos können zu schnell sein. Beim tödlichen Unfall in Arizona letztes Jahr war das automatisierte Auto mit 64 km/h unterwegs – statt mit den erlaubten 56 km/h. Trotzdem gilt: Je besser sich der Faktor Mensch kontrollieren lässt, desto sicherer die Straßen. (Lisa Mayr, 1.3.2019)