Kardinal Pell am Weg zum Gericht.

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Melbourne/Vatikanstadt – Der australische Kardinal George Pell wurde bereits im Dezember 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gesprochen. Publik wurde dies aber erst jetzt. Grund dafür war eine Nachrichtensperre, die das zuständige Gericht in Melbourne verhängt hatte. Allerdings ist das Gericht mit der Einhaltung dieser Order nicht zufrieden, weshalb dutzenden australischen Journalisten nun Haft drohen könnte. Der zuständige Richter Peter Kidd gab bereits Tag nach dem Urteil zu verstehen, dass er eine harte Bestrafung von Medien befürworten würde. Zahlreiche Verfahren laufen derzeit.

Hintergrund der Maßnahmen, die australische Medien als "Zensur" bezeichneten: Diese "suppression order" untersagte nationalen wie internationalen Medien jegliche Berichterstattung über den Fall, die man in Australien hätte sehen können. In Zeiten des Internets kam das einem Verbot gleich. Aus Sicht des Gerichts sollte damit jede Beeinflussung von Geschworenen vermieden werden. Neben dem Verfahren, in dem Pell nun schuldig gesprochen wurde, war nämlich ursprünglich ein zweiter Prozess wegen anderer Vorwürfe geplant.

Nur teils beachtet

Dieser Prozess findet nun nicht statt. Deshalb konnte die Nachrichtensperre entfallen. Manche ausländische Medien hatten sich nach dem Schuldspruch im Dezember aber auch nicht mehr an die Sperre gehalten. Ob es auch gegen Medien oder Journalisten im Ausland laufende Verfahren gibt, war vorerst nicht zu erfahren.

"Es sollte verhindert werden, dass die Geschworenen im zweiten Gerichtsverfahren durch das Urteil im ersten Prozess voreingenommen sind", erklärt Jason Bosland, Professor für Medienrecht an der Universität Melbourne. Die "suppression orders" sind in Australien weit verbreitet. Allein im Bundesstaat Victoria, wo der Prozess gegen Pell stattfand, habe es zwischen 2008 und 2013 rund 1.500 davon gegeben, sagt Bosland. Inzwischen gibt es auch in Australiens Politik Stimmen, die dies für übertrieben halten.

"Zensuriert!"

Bei den australischen Medien stoßen diese Verfügungen auf noch mehr Kritik. Mehrere Medien hatten nach dem Urteil in verschlüsselter Form berichtet. Einige berichteten etwa mit rätselhaften Schlagzeilen wie "Zensuriert!" über den Fall, ohne die handelnden Personen oder die Umstände genau zu erwähnen. Gegen einige von ihnen sollen nun ebenfalls Verfahren laufen.

Die Höchststrafe für Missachtung des Gerichts liegt in Australien bei fünf Jahren Haft oder 500.000 australischen Dollar für Medienhäuser (311.000 Euro). Richter Kidd sagte in einer ebenfalls erst jetzt veröffentlichten Mitteilung wenige Tage nach dem Urteil zu den Schlagzeilen "meiner Ansicht nach droht einigen bedeutenden Leuten in der Medienlandschaft, sofern sie schuldig gesprochen werden, nun mehrjährige Haft".

Australische Medien teilten mit, dass sie die Vorwürfe zurückwiesen. Man habe sich mit der Berichterstattung an die Regeln gehalten, schreibt etwa das öffentlich-rechtliche australische Fernsehen ABC.

Auch Bericht über Berichtsverbot verboten

Der Journalistenverband MEAA (Media, Entertainment and Arts Alliance) bemängelte, dass die Gerichte im Alleingang entscheiden wollten, was im Interesse der Öffentlichkeit sei. Ähnlich äußerte sich Daniel Bastard von Reporter ohne Grenzen. Die "suppression order" diene manchmal dem richtigen Zweck, werde aber zu oft angewendet.

Besorgniserregend für die Pressefreiheit im Fall Pell sei zudem gewesen, dass das Gericht eine Art Superverfügung erlassen habe, die es den Medien sogar untersagt habe, über die Nachrichtensperre selbst zu berichten: "Du darfst einfach gar nichts sagen." (Reuters, red, 1.3.2019)