Wien/Brüssel – Sechs Projekte wollen die nächsten EU-"Forschungs-Flaggschiffe" werden (die pompöse Bezeichnung rührt vom Programm "FET Flagships" her, FET steht für "Future and Emerging Technologies"). Mit diesem 2009 ins Leben gerufenen Programm will die EU ambitionierte und visionäre kooperative Forschungsinitiativen fördern, die zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen sollen.

Bisher wurden drei solcher Flaggschiffe vom Stapel gelassen: 2013 das "Human Brain Project" zur Modellierung des Gehirns im Computer und "Graphene", das sich dem neuartigen Material Graphen widmet; im Vorjahr das "Quantum Flagship" zur Entwicklung wettbewerbsfähiger Quantentechnologien. Dafür erhalten die Projekte über zehn Jahre jeweils eine Milliarde Euro, die Hälfte davon von der EU, die andere von den Mitgliedsstaaten bzw. der Industrie.

Breites Themenfeld

Die sechs Projekte, die sich nun Hoffnung machen dürfen, sich dieser Liga anzuschließen, bilden die Shortlist, die die EU-Kommission aus 16 Anträgen im Dezember erstellt hat. Sie sollen nun detaillierte Anträge ausarbeiten und erhalten dafür je eine Million Euro. Die Projekte kommen aus den Bereichen Medizin, Solarenergie, Künstliche Intelligenz und Kulturerbe, bei drei davon sind österreichische Institutionen beteiligt.

Bis zu drei Vorhaben sollen aus den sechs Projekten der Shortlist ausgewählt werden, ihr Start ist – gleichzeitig mit Beginn des neuen EU-Forschungsrahmenprogramms "Horizon Europe" für 2021 vorgesehen. Nachdem die Rahmenbedingungen für dieses Programm noch nicht fixiert sind, ist auch die genaue Ausgestaltung der Flagships noch nicht klar.

An drei Projekten auf der Shortlist sind österreichische Institutionen beteiligt:

Die Initiative "LiveTime" will menschliche Zellen während der Erkrankung beobachten und verstehen. Als langfristige Vision soll es Ärzten ermöglicht werden, den molekularen Zustand von Geweben eines Patienten in Echtzeit zu beurteilen, damit die Diagnose frühzeitig zu stellen und Krankheiten abzufangen. Koordiniert wird das Projekt vom Max Delbrück Zentrum in Berlin und dem Institut Curie in Paris. Unter den 65 Gründungsmitgliedern ist auch Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien.

Die Forschung und Innovation im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) in Europa stärken will das Projekt "Claire". Initiiert von Wissenschaftern aus den Niederlanden, Norwegen und Deutschland soll mit dem Vorhaben ein Verband von Laboratorien für die KI-Forschung in Europa geschaffen werden. Rund 250 Forschungsgruppen und Institutionen bilden derzeit dieses Netzwerk, darunter neun aus Österreich – und zwar von der Technischen Universität (TU) Wien, den Universitäten Linz und Klagenfurt, der Wirtschaftsuniversität Wien und der Medizinischen Universität Wien.

Die Erstellung einer Zeitmaschine im übertragenen Sinne, die es zukünftig auch Laien erlaubt, auf übersichtlich aufgearbeitete, umfassende historische Informationen aus ganz Europa zuzugreifen, hat sich das "Time Machine"-Konsortium zum Ziel gesetzt. Für die Aufarbeitung wird auf KI und Big Data-Methoden zurückgegriffen. Unter anderem soll es möglich sein, durch die Geschichte Venedigs oder des Stephansdoms zu reisen. Unter den 33 Initiatoren finden sich mit dem Archivnetzwerk ICARUS, der Nationalbibliothek und der TU Wien drei österreichische Institutionen. Von den insgesamt bisher 233 Partnern haben rund 35 ihren Sitz in Österreich. Mit an Bord der von der EPFL Lausanne geleiteten Initiative sind neben wissenschaftlichen Einrichtungen auch Kulturerbe-Institutionen und Unternehmen etwa aus der Gaming-Industrie.

Im Mittelpunkt des Projekts "Restore" stehen sogenannte Advanced Therapies. Ziel des von Berliner Universitätsklinik Charite geleiteten Vorhabens ist der "Übergang von der Symptombehandlung zur Heilung von Krankheiten und die Etablierung Europas als Weltmarktführer bei neuartigen Therapien".

Weiters auf der Shortlist sind zwei Projekte, die sich zum Ziel gesetzt haben, Solarenergie zu nutzen. Das Vorhaben "Energy-X" widmet sich einer effizienten Umwandlung von Sonnenenergie in chemische Form, wofür unter anderem neue Katalysatoren notwendig sind. Ganz ähnliche Ziele verfolgt das Projekt "Sunrise", das nachhaltige Alternativen zur fossilbasierten, energieintensiven Produktion von Kraftstoffen und Grundstoffen bieten und dafür Sonnenlicht und Rohstoffe aus der Atmosphäre wie Kohlendioxid, Sauerstoff und Stickstoff nutzen will. (APA, red, 3. 3. 2019)