Im Bestand des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien befindet sich folgendes Faksimile:

Dies ist eine 1946 beglaubigte Abschrift des Originaldokuments. Zum Schicksal des Schutzhäftlings: franz-plotnarek.zurerinnerung.at.
DÖW Akt 51887

Dieses Dokument ist nur eines von vielen gleicher Art im DÖW und eines von tausenden, die im Dritten Reich ausgestellt wurden. Wer in "Schutzhaft" genommen wurde, verschwand ohne Prozess im KZ, das er meist nicht lebend verließ.

Totales Unrecht

Die Erinnerung an diese legistisch abgesicherte Herrschaft des totalen Unrechts ist es, die heute bei historisch gebildeten und rechtsstaatlich denkenden Menschen so großes Unbehagen an den (von Bundeskanzler Sebastian Kurz unterstützten) "Sicherheitshaft"-Plänen des FPÖ-Innenministers Herbert Kickl entstehen lässt.

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Kickl kündigte an, dass die geplante Sicherungshaft für gefährliche Flüchtlinge gelten soll.
Foto: reuters

"Wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von einem Asylwerber eine konkrete Gefährdung ausgeht, könnte eine solche Sicherungshaft" verhängt werden, schreibt das Innenministerium. Und zwar nicht auf richterliche Anordnung, sagt Kickl, sondern der Chef des Asylamtes soll das einfach verfügen können, wenn er zu einer "Annahme" kommt.

Potenzielle Gefährlichkeit

Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ging als Reaktion auf Kickl noch einen gewaltigen Schritt weiter und sagte, man müsse überhaupt alle gefährlichen Personen in präventive Sicherheitshaft nehmen können, basierend auf der Prognose von "Psychologen" über die potenzielle Gefährlichkeit. Das Doskozil-Modell: per Psycho-Gutachten präventiv in den Häfen.

Das wiederum löste bei historisch und rechtsstaatlich denkenden Personen unbehagliche Erinnerungen an den Fall des österreichischen Psychiaters Heinrich Gross aus, der in der NS-Zeit an der Ermordung behinderter Kinder beteiligt war. Nach dem Krieg hatte er eine angesehene Funktion im Bund Sozialdemokratischer Akademiker (BSA) inne und war bis weit in die Siebzigerjahre hinein der meistbeschäftigte Gerichtspsychiater Österreichs mit überaus fragwürdigen Gutachten.

Aber man könne das alles doch nicht mit der NS-Schutzhaft vergleichen, heißt es nicht nur bei FPÖ-Anhängern. Auf der einen Ebene kann man das tatsächlich nicht. Österreich ist nicht zu vergleichen mit einer mörderischen Diktatur wie dem NS-Staat.

Antidemokratische Tendenzen

Aber auf einer anderen Ebene muss man gefährliche antidemokratische und autoritäre Tendenzen hinter diesen Überlegungen zur Kenntnis nehmen.

Das sagen renommierte Verfassungsrechtler wie Bernd-Christian Funk und Heinz Mayer, der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak, aber auch juristisch beschlagene Politiker wie die Neos-Abgeordnete Irmgard Griss, ehemalige Höchstrichterin, und Kardinal Christoph Schönborn: "Wenn wir uns einmal daran gewöhnen, dass Menschen im Vorhinein 'vorsorglich' eingesperrt werden können, wohin führt das?"

Peter Schipka, Generalsekretär der Bischofskonferenz, sagte: "Das präventive Einsperren von Menschen auf unbestimmte Zeit aufgrund einer angenommenen 'allgemeinen Gefährlichkeit' ohne vorherige richterliche Anordnung steht im Gegensatz zur Verfassung und zu den Menschenrechten."

Verfassungsänderung

Es gibt ein Bundesverfassungsgesetz "zum Schutz der persönlichen Freiheit". Das müsste zwingend geändert werden, um eine Sicherungshaft Modell Kickl/Kurz zu ermöglichen. Man müsste als Haftgründe eine "Gefahr für die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung" hineinschreiben. Dann kann man aber verfassungsrechtlich die Sicherungshaft nicht auf eine bestimmte Gruppe (Asylwerber) beschränken. Denn dass nur Asylwerber gemeint sind, will der Innenminister im Fremdenpolizeigesetz im Detail regeln.

Hier klingeln die Alarmglocken. Gleich einmal eine Verfassungsänderung? Unter Berufung auf "nationale Sicherheit? Wieder kommen ungute Erinnerung auf, nämlich an das nationalsozialistische " Ermächtigungsgesetz" vom 24. März 1933, offiziell das "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich", mit dem knapp nach der Machtergreifung Hitlers der Rechtsstaat überhaupt aufgehoben wurde. Schon in den 1920er-Jahren hatten demokratische Regierungen mit (schwächeren) Ermächtigungsgesetzen gefährliche Vorbilder geschaffen.

Rechtskonforme Haftarten

Aber es gibt doch heute bereits unter ganz bestimmten Umständen eine Art Sicherungshaft? Und es gibt doch eine EU-Richtlinie, die genau unter dem Hinweis auf "Gefahr für die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung" eine solche Haft erlaubt?

Tatsächlich sind etwa Schubhaft, Maßnahmenvollzug (Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher), aber auch Zwangsunterbringung psychisch kranker Personen und U-Haft zur Abwehr einer unmittelbaren Tatbegehensgefahr rechtskonform. Allerdings gilt das ganz überwiegend nur, wenn bereits eine Straftat gesetzt wurde (im Fall der Schubhaft Verweigerung der Ausreise) oder die Tatbegehung (oder -wiederholung) ganz akut verhindert werden muss. Und auf richterliche Anordnung. Nicht auf Verdacht.

Was die EU-Richtlinie angeht, so sagt der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak von der Universität Wien, müsse sie immer auch im Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta gelesen werden. Für eine Sicherungshaft Modell Kickl sei sie sicher nicht geeignet, sondern eher zur Verhinderung des Mordes an dem Dornbirner Beamten durch einen Asylwerber mit Aufenthaltsverbot.

Autoritäre Tendenzen

Fazit: Letztlich speist sich das Misstrauen gegenüber der Sicherungshaft aus dem Misstrauen gegenüber den historisch gut abgesicherten autoritären Tendenzen in der FPÖ (und manchen Krawallmedien). Es speist sich aus "Einzelfällen" wie dem afghanischen Musterlehrling, der von FPÖ-Mann John Gudenus fälschlich des Sympathisierens mit einer Terrormiliz beschuldigt wurde (er wäre der Erste in Sicherheitshaft gewesen).

Und dem, was der Schriftsteller Michael Köhlmeier 2018 in seiner Rede im Parlament zum Befreiungstag sagte: "Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung. Erst wird gesagt, dann wird getan." (Hans Rauscher, 2.3.2019)