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Das umstrittene Plakat.

Foto: REUTERS/Tamas Kaszas

Budapest – Ungarns rechtskonservative Regierung will ihre umstrittene Plakatkampagne gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 15. März beenden – aber eine neue gegen dessen Vize Frans Timmermans starten. Letzteres kündigte Premier Viktor Orban an. Zugleich wehrte er sich gegen Forderungen, seine Fidesz-Partei aus der Europäischen Volkspartei (EVP) zu werfen und warnte vor weiteren Ausschlüssen.

"In der nächsten Phase des Wahlkampfs (...) werden Sie einen weiteren Akteur auf den Plakaten sehen: Herrn Timmermans", erklärte Orban im Interview mit der deutschen Zeitung "Welt am Sonntag". Der für Kommunikation zuständige ungarische Staatssekretär Zoltan Kovacs hatte wenige Stunden zuvor über den Kurznachrichtendienst Twitter mitgeteilt, dass die umstrittene Kampagne gegen Juncker am 15. März enden werde.

Gepantes Ende 15. März

Er blieb dabei freilich bei der Kritik an Juncker. Die Ungarn hätten ein Recht zu wissen, "welche Art von Pro-Migrations-Politik von der Brüsseler Bürokratie vorbereitet würde", schrieb er. "Deshalb starteten wir eine Informationskampagne, die, wie geplant, am 15. März enden wird."

Seit eineinhalb Wochen hängen in ganz Ungarn Plakate, auf denen Juncker und der liberale US-Milliardär ungarischer Herkunft, George Soros, unvorteilhaft abgebildet sind. Darunter stehen Behauptungen, die suggerieren, die beiden wollten illegale Migration nach Europa fördern. Die EU-Kommission hatte diese Behauptungen mehrfach Punkt für Punkt widerlegt.

Bisher war offiziell nicht bekannt, dass die Anti-Juncker-Kampagne bis zum 15. März dauern soll. Das Datum war erstmals erwähnt worden, nachdem CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am vergangenen Dienstag den Fidesz-Vizechef und Orban-Vertrauten Gergely Gulyas in Berlin zu einem informellen Gespräch empfangen hatte. Gulyas hatte am Donnerstag als Ehrengast von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Wiener Opernball teilgenommen.

EVP besorgt

Die Kampagne hatte selbst in der Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) Empörung ausgelöst. Ihr gehören neben der Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban aus Österreich die ÖVP oder aus Deutschland CDU und CSU an. Juncker war als Spitzenkandidat der EVP bei der Europa-Wahl 2014 zum Kommissionspräsidenten gewählt worden. An die zehn EVP-Mitgliedsparteien verlangen den Ausschluss von Fidesz aus der EVP. ÖVP-Chef, Bundeskanzler Sebastian Kurz hat einen Parteiausschluss von Fidesz bis dato immer abgelehnt; der Leiter der ÖVP-Delegation im EU-Parlament und ÖVP-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, Othmar Karas, forderte eine Suspendierung der Orban-Partei.

Kramp-Karrenbauer und EVP-Fraktionschef und -Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) hatten wie Kurz die Plakataktion mit Juncker und Soros gleichfalls scharf verurteilt, sich aber den Rufen nach einem Fidesz-Ausschluss aus der EVP bisher ebenfalls nicht angeschlossen. Weber, der nach der Europawahl im Mai Nachfolger von Juncker werden möchte, hatte am Freitag dem "Spiegel" gesagt, dass der Fidesz-Ausschluss als "Option auf dem Tisch" liege.

"Kompliziertes Verhältnis"

Der tschechischen Tageszeitung "Lidove noviny" (Samstag) gegenüber beschrieb Weber das gegenwärtige Verhältnis zwischen der EVP und Orbans Fidesz-Partei als "äußerst kompliziert". Das Verhalten der ungarischen Regierung erschwere die Zusammenarbeit, sagte er. Weber pochte auf die "die Einhaltung der Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Medien und Gerichte, Kampf gegen Korruption und Freiheit der wissenschaftlichen Forschung". Darauf basiere die ganze Europäische Union. Laut dem Spitzenkandidaten läuft eine "komplizierte Debatte" mit Fidesz über die auch international umstrittenen Gesetzesregeln, die unter Orban in Ungarn im Zusammenhang mit Universitäten und Nicht-Regierungsorganisationen eingeführt wurden. Aus diesem Grund hätten auch EVP-Abgeordnete voriges Jahr im Europaparlament für die Einleitung des laufenden EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn gestimmt.

Der Niederländer Timmermans, den Orban zum nächsten Ziel einer ungarischen Plakat-Kampagne auserkoren hat, ist nicht wie Juncker Christdemokrat aus den eigenen EVP-Reihen sondern Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) bei der EU-Wahl im Mai und deren Anwärter für den Posten des Kommissionspräsidenten. In der "Welt am Sonntag" sagte Orban, dass auch Timmermans auf den Plakaten zusammen mit George Soros abgebildet sein werde. Auf den aktuellen Darstellungen mit Juncker wirkt der aus Ungarn stammende Holocaust-Überlebende wie ein dämonischer Einflüsterer des EU-Kommissionschefs.

"Die Rolle von Soros für die europäische Politik kann nicht übergangen werden, und ein jeder hat das Recht darauf zu erfahren, dass Timmermans eingestandenerweise sein Verbündeter ist", behauptete Orban weiter. Tatsächlich hat Soros in den vergangenen Jahrzehnten mit Milliardensummen zahlreiche humanitäre, soziale, wissenschaftliche und künstlerische Vereine und Initiativen unterstützt. Darunter sind auch solche, die sich für Menschenrechte und für Asylsuchende einsetzen.

Seine Gegner in der EVP bezeichnete Orban indes als "nützliche Idioten" der Linken. "Während sie einen geistigen Kampf zu führen glauben, dienen sie den Machtinteressen anderer, ja denen unserer Gegner." In Wirklichkeit komme "der Angriff von links, nicht um uns, sondern um die EVP zu schwächen", sagte der rechtskonservative Regierungschef der "Welt am Sonntag". Den eventuellen Ausschluss seiner Fidesz aus der EVP bezeichnete er als "keine rationale Alternative". "Wenn es uns nicht mehr (in der EVP, Anm.) gibt, werden sie die Italiener angreifen und danach kommen die Österreicher an die Reihe", prognostizierte Orban. (APA, dpa, 2.3.2019)