Dshamilja Kaiser als Penthesilea in Peter Konwitschnys "Penthesilea"-Inszenierung.

Foto: Reinhard Winkler

Und wieder einmal lohnt sich die Zugfahrt nach Linz. Dieses Mal, um Penthesilea bei ihrem Kampf mit und um den Kriegshelden Achilles zu verfolgen. Peter Konwitschny zeigt Kleists Amazonenkönigin in Othmar Schoecks melodramatischem Einakter als eine moderne Frau, die trotz ihrer Stärke ein Spielball der politischen und gesellschaftlichen Mächte bleibt.

Auf einem aseptisch cleanen, über dem Orchestergraben platzierten Carré (Bühne: Johannes Leiacker) spielt sich der Rosenkrieg, der Clinch von Mann und Frau ab, boxringartig umrahmt von mehreren Sitzreihen, auf denen der Chor äußerst professionell ein (sehr reaktionsfreudiges) Opernpublikum mimt. Vom seitlichen Balkon beäugt die Oberpriesterin die unerlaubten Liebeshändel kritisch (mit Maria-Rauch-Kallat-Strenge: Vaida Raginskyte).

Blutrausch

Konwitschny inszeniert Penthesileas finalen Blutrausch an Achilles als Fake-News. Ihren Schlussgesang trägt sie nach ihrem Suizid als Liederabendbeitrag vor – unterstützt von zwei Pianisten an Konzertflügeln, welche im Carré auch als Manövriermasse und Spielplätze dienen. Ein Mix aus neuen und altbewährten Ideen der Regielegende.

In der Mixed Zone von Spätromantik und Moderne ist auch Schoecks 1927 in Dresden uraufgeführte Penthesilea beheimatet. Terzenseligkeit wechselt mit Kopfschmerzseptimen, auf klarinettenweiche Lyrik folgen metallharte Axthiebakkorde. Es gibt Chorstellen von archaischer Wucht, grelle Blitze der Trompeten, schmerzensmürbe und schwefelgelbe Klänge – und Schläge, immer wieder harte, unerbittliche Schläge des Schicksals aus der Schlagwerksektion. Hammer!

Vokale Potenz

Nicht nur beim Orchester forciert Schoeck die dunklen Farben (er verzichtet auf Tutti-Violinen), auch bei den Hauptpartien vertraut er auf die Kraft der Tiefe. Martin Achrainer lotet die untersten Regionen seines Baritons aus, demonstriert ansonsten die vokale Potenz eines Helden Achilles überzeugend, wenn auch manchmal gemächlich. Den Angeber und Obermacker hat er hervorragend drauf.

Schlichtweg eine Wucht ist Dshamilja Kaiser als Penthesilea: Ihr edel-weicher Mezzo hat ein solides Fundament und eine wirkungsmächtige Höhe. Die Intensität von Kaisers Darstellung ist enorm; fulminant auch Julia Borchert als treusorgende Prothoe. Der Chor ist nicht nur dank seines Surround-Sounds ein Ereignis.

Beeindruckend, wie präzise und souverän Leslie Suganandarajah die Partitur Schoecks mit dem tollen, hinter der quadratischen Bühne platzierten Bruckner Orchester Linz umsetzt. Bei manchen Passagen könnte er allerdings durchaus noch etwas mehr Schub geben – die Sänger sind schließlich aufgrund der exponierten Positionierung äußerst klangmächtig. Begeisterung in Linz. (Stefan Ender, 3.3.2019)