In Israel steht zu Jom Kippur das ganze Land still. In Österreich betrifft diese Feiertagsruhe nur eine kleine Minderheit. Ob diese Besserstellung in Zukunft vor dem EuGH hält, ist fraglich.

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Die Aufregung ist groß: Eine "Verhöhnung der Arbeitnehmer" sei es, eine "schwere Diskriminierung der Protestanten", wie die Regierungsparteien die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Jänner 2019 umgesetzt haben, mit der der Karfreitag als Feiertag nur für Protestanten und Altkatholiken als unzulässige Diskriminierung aus religiösen Gründen qualifiziert worden war.

Dabei sollte es niemanden überraschen, dass eine Regierung, deren Programm nicht die ungehemmte Ausdehnung des Wohlfahrtsstaates ist, sich zwischen den verschiedenen – auch vom EuGH betonten – Optionen einer Lösung für eine entscheidet, mit der kein zusätzlicher Feiertag für die große Mehrheit geschaffen, sondern ein bestehender für eine kleine Minderheit beseitigt wird.

Voreilig war nur die Ankündigung von Bundesminister Gernot Blümel, es werde eine Lösung geben, mit der "niemandem etwas weggenommen, aber auch kein neuer Feiertag geschaffen werde". Denn genau das ist nicht möglich. Und die diversen Vorschläge, andere Feiertage wie den Pfingstmontag oder den 8. Dezember gegen den Karfreitag für alle abzutauschen, wären zwar vielleicht liturgisch stimmiger gewesen, hätten aber allesamt wieder die Einbuße eines Feiertags für die Evangelischen bedeutet.

Komplexer ist die rechtliche Bewertung des Vorgehens, was schon die in den vergangenen Tagen geäußerten unterschiedlichen Meinungen von Arbeitsrechtsexperten zeigen. Zwei Aspekte stehen dabei im Fokus: der Eingriff in bestehende Kollektivverträge und das Bestehenbleiben der kollektivvertraglichen Urlaubsregelungen für Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag.

Der Universitätsprofessor Franz Marhold sieht jeden Eingriff des Gesetzgebers in den Inhalt eines Kollektivvertrages "zugunsten einer Seite" als Verstoß gegen Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser schützt die Koalitionsfreiheit und seit der Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) vom 12. 11. 2008 zu Demir Baykara auch das Recht auf den Eintritt in Kollektivverhandlungen und den Abschluss von Kollektivverträgen.

Artikel 28 der Europäischen Grundrechtecharta (GRC) sieht dies auch explizit vor. Selbst daraus und aus der "Türkei"-Judikatur des EGMR (vgl. auch EGMR 21. 4. 2009, Enerji Yapi-Yol Sen/Türkei) ergibt sich aber kein generelles und schrankenloses Verbot, mittels Gesetzes in Kollektivverträge einzugreifen. Deren Regelungsmacht folgt ja auch nicht wie bei Verträgen unter Privaten aus der allgemeinen Privatautonomie, sondern aus der Zuweisung durch den Gesetzgeber. Diesem kommt dabei sehr wohl ein gewisser Handlungsspielraum zu.

So wäre etwa auch eine Streichung von § 2 Abs. 2 Z 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), die die Ausverhandlung von Sozialplänen auf Kollektivvertragsebene regelt, kein Eingriff in den Wesenskern der durch EMRK und GRC geschützten Tarifautonomie. Deshalb wäre die neue Regelung, mit der Karfreitagssonderregelungen in KV für unzulässig und unwirksam erklärt werden, systematisch besser bei § 2 Abs. 2 ArbVG zu verorten gewesen statt im Arbeitsruhegesetz. Ein Eingriff, mit dem eine vom EuGH geortete Diskriminierung auf zulässige Weise beseitigt wird, muss jedenfalls möglich sein.

Eine positive Maßnahme

Somit bleibt die Frage, ob es zulässig ist, dass Angehörigen jüdischen Glaubens im Generalkollektivvertrag weiterhin ein zusätzlicher Feiertag zuerkannt wird oder dies die bisherige Diskriminierung der Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften bloß mit veränderten Vorzeichen fortschreibt.

Politisch war die Vorgangsweise wohl alternativlos und verständlich, und auch rechtlich könnte man hier zumindest besser begründen, dass es sich um eine zum Schutz der Freiheit der Religionsausübung notwendige Maßnahme oder um eine positive und spezifische Maßnahme zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen (Art. 2 Abs. 5 bzw. Art. 7 Abs. 1 der Gleichbehandlungs-Rahmen-Richtlinie) handelt.

Das was in diesem Land unter dem NS-Regime den Juden angetan wurde, ist nicht nur im 20. Jahrhundert ohnegleichen, und wenn auch die Gegenreformation in Österreich nicht zimperlich war, ist dies nicht vergleichbar und liegt zudem bald 500 Jahre zurück. Und während es Antisemitismus in Österreich zweifellos weiterhin gibt, kann das von "Antiprotestantismus" nicht behauptet werden.

Ob sich der EuGH in einem künftigen Verfahren davon beeindrucken lässt, ist dennoch fraglich. Liest man das Karfreitagserkenntnis des EuGH, dann könnte man daraus schließen, dass die EU-Richter die Gewährung eines Feiertages unabhängig von der konkreten Ausübung religiöser Riten nicht als eine zum Ausgleich religiöser Benachteiligung notwendige Maßnahme sehen. Von der Politik war es dennoch legitim, es darauf ankommen zu lassen. (Georg Schima, 5.3.2019)