Die Wettbewerbsbehörde prüft Amazon wegen unlauterer Mittel.

Foto: APA / AFP / Spencer Platt

Die Ermittlungen gegen Amazon, die die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) Mitte Februar bekanntgegeben hat, stellen die Kartellwächter vor besondere Herausforderungen. Sie wollen insbesondere prüfen, ob der US-Konzern auf seiner Plattform Amazon Marketplace eine marktbeherrschende Stellung gegenüber Händlern missbraucht. Die BWB folgt damit dem deutschen Bundeskartellamt und wird mit ihm eng zusammenarbeiten.

Das österreichische Kartellrecht vermutet Marktbeherrschung unter anderem bei Marktanteilen ab 30 Prozent; als marktbeherrschend gilt aber auch ein Unternehmer, dessen Abnehmer zur Vermeidung schwerer Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind – die "relative Marktbeherrschung".

Dafür liegen im Fall Amazon Anhaltspunkte vor, insbesondere bei Marktplatzdienstleistungen für den Onlinevertrieb an Verbraucher, wo Amazon eine Rolle als "Gatekeeper" nachgesagt wird. Das deutsche Bundeskartellamt hat bereits 2015 festgehalten, dass es für kleine und mittlere Onlinehändler entscheidend sein kann, auf einem großen Marktplatz wie Amazon gelistet zu sein.

Was ist Missbrauch?

Der bloße Umstand der Marktbeherrschung ist allerdings nicht verboten; das Kartellrecht untersagt erst einen Missbrauch derselben. Dazu zählen die Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen, die Einschränkung des Absatzes und die sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Vertragspartnern.

Ein möglicher Missbrauchstatbestand wäre die unbegründete plötzliche Sperrung eines Händlerkontos – insbesondere wenn dieser Händler vom Markt gedrängt werden soll. Ob ein solcher im Fall Amazon vorliegt, wird sorgfältig zu prüfen sein.

Die digitale Wirtschaft verändert die Wettbewerbsverhältnisse rasant. Die klassische Vertriebskette mit festen Rollen löst sich zunehmend auf. Unternehmen wie Amazon erfüllen vielerlei Rollen – Absatzmittler für dritte Händler, Hersteller und Händler von Eigenmarken (Amazon Basics) und Dienstleister für Marktforschung, IT und Logistik.

Die kartellrechtliche Einordnung der neuen Geschäftsmodelle ist komplex. Die Verwertung von Informationen, die zulässigerweise im Verhältnis zwischen Markplattform und Händler gewonnen und für die Abwicklung benötigt werden, kann kartellrechtlich bedenklich sein, weil gleichzeitig ein Wettbewerbsverhältnis vorliegt. Für Unternehmen in Doppel- und Mehrfachrollen fehlt es oft an Rechtssicherheit.

Erhärten die Ermittlungen den Missbrauchsverdacht, kann das Kartellgericht auf Antrag der BWB Geldbußen bis zu zehn Prozent des Vorjahresumsatzes verhängen. Dass das Gericht eine Abspaltung des Amazon Marketplace vom restlichen Unternehmen anordnet, wie dies in der medialen Diskussion teils gefordert wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Zwar ist das Kartellgericht berechtigt, Änderungen der Unternehmensstruktur aufzutragen, allerdings nur als "letztes Mittel". (Esther Sowka-Hold, 4.3.2019)