Trotz mancher Auspeitschung: Das Drama um den beschuldigten Josef K. (George Humphreys, li.) wirkt in Philip Glass' Oper "The Trial" etwas harmlos.

Foto: Tobias Witzgall

Salzburg – Die Minimal Music war eine provokante 1960er-Variante der musikalischen Erneuerung. Sie griff, mit Komponisten wie Steve Reich und Philip Glass, zurück auf jene bei der Avantgarde verpönte Tonalität. Gerade dadurch und die Fixierung auf das simple Prinzip der "variierten Wiederholung" entstand aus altehrwürdigem Material aber Unverwechselbares. Der Nachteil: Das Prinzip "Wiederholung" ergab eine abgeschlossene Regelwelt, in der Entwicklungen schwer voranzutreiben waren.

Jazz und Klezmer

In seiner Kammeroper The Trial bricht Philippe Glass denn auch ein wenig mit den Eckpfeilern der von ihm mitbegründeten Stilistik: Die vokalen Parts – rund um die Hauptfigur Josef K. – sind geprägt von rezitativischem Parlando, das die Seelenzustände der Figuren plastisch darstellt. Und auch die instrumentalen Strukturen, welche das Mozarteumorchester unter Robin Davis respektabel umsetzt, wirken nicht stur minimalistisch. Es hebt sich sogar jazziges und an Klezmer orientiertes Melos über das Klangkollektiv.

Paradoxerweise wird gerade dieses Aufweichen der minimalistischen Prinzipien für diese aus Kafkas Werkfragment Der Prozess schöpfende Kammeroper zum Nachteil. In gar viele Episoden eingeteilt, wird der Fluss der Geschichte durch musikalische Minipausen unterbrochen. Gerade die Geschichte einer von der Justiz bedrängten Existenz würde doch eher nach einer – gnadenlos wie pausenlos – maschinell sich entfaltenden Musik verlangen.

Etüde des Totalitären

Es entstünde ein Uhrwerk der brutalen Macht, in dem Josef K. schließlich zermalmt wird. Doch nur am Ende bäumt sich die Musik tatsächlich dramatisch auf. Bis dahin wirkt The Trial wie eine dahinplätschernde Etüde über das totalitäre Prinzip "im Zweifel gegen den Angeklagten". Das Zermürbende der Ungewissheit und die Folter der Aussichtslosigkeit, der Josef K. ausgesetzt ist – sie werden szenisch nicht wirklich intensiv genug wirksam.

Tadelloser Gesang

Die solide, mit Heiterkeit und Absurdität gewürzte Inszenierung von Hausherr Carl Philip von Maldeghem trägt in ihrer Nettigkeit zu diesem Eindruck bei. Der tadellos singende George Humphreys wandert da etwas konturenlos durch das Bühnenbild der abstrakten Wände (Bühne: Thomas Pekny) und erlangt erst in der finalen Resignation Format.

Die österreichische Erstaufführung dieser Oper aus 2014 ist allerdings musikalisch gut in Form: Im Laufe des rätselhaften Prozesses schlüpft das Opernensemble in 23 Rollen: Jacob Scharfman, William Ferguson, Anne-Fleur Werner und Katie Coventry – sie alle geben den vielen Parts zumindest vokal kafkaeskes Profil. (Ljubiša Tošic, 4.3.2019)