Bei Operationen der Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalte zählt die Funktionalität, doch auch die Ästhetik ist wichtig. Dafür müssen Eltern der Kinder meist selbst bezahlen, die Krankenkassen zahlen nicht.

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Den richtigen Zeitpunkt zu finden, ist schwer. Je früher eine Gaumenspalte operativ geschlossen wird, desto besser kann sich die Sprache des betroffenen Kindes entwickeln. Allerdings: Die Operation hinterlässt Narben, diese wiederum sind Ursache dafür, dass der Oberkiefer nicht optimal wächst. "Deshalb ist die erste OP ganz entscheidend. In seltenen Fällen müssen die Wachstumsdefizite des Kiefers mit einer erneuten OP korrigiert werden", sagt Peter Schachner, Leiter des Lippen-Kiefer- Gaumenspalten-Zentrums (LKGS) an der Universitätsklinik Salzburg und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Kraniofaziale Anomalien.

Die Richtlinien geben dennoch klar vor: Die Operation des Gaumens sollte bis zum Ende des ersten Lebensjahres stattfinden. "Ohne OP können die Kinder nicht sprechen lernen, das holen sie nie wieder auf." Für Kinder, die nur an einer Gaumenspalte leiden, ist diese erste Operation im Regelfall der einzige Eingriff.

Viele Varianten

Bei einer durchgehenden Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist es komplizierter, hier werden Lippe und Gaumen im ersten Lebensjahr verschlossen. Später wird der Defekt im Kieferbereich behoben. Dafür wird aus der Hüfte, meist aus dem Beckenkamm, der Kinder, ein Knochen in der Größe eines Würfelzuckers entnommen und in den Kieferspaltenbereich eingesetzt, die Gefäße werden unter dem Mikroskop zusammengenäht, wodurch es zur sofortigen Durchblutung kommt. Anschließend werden Zahnimplantate eingesetzt.

Dieser Eingriff erfolgt etwa im Alter von neun oder zehn Jahren, weil der Knochen ab dann für das Wachstum der Zähne benötigt wird, erklärt Schachner. "Wir haben in Österreich ein sehr hohes Niveau, die Versorgung ist auf dem letzten Stand und erfolgt nach europäischen Standards", so Schachner.

Eigener Körper als Produzent

In seltenen Fällen kann kein Knochen eingesetzt werden, dann kommt eine Zahnprothese zum Einsatz. Dieses Vorgehen kritisiert Kurt Vinzenz, Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, scharf: "Junge Menschen bekommen eine Prothese, wie man sie alten Menschen einsetzt. Sie hält nicht und schädigt die Nachbarzähne." Vinzenz plädiert stattdessen für plastisch-rekonstruktive Chirurgie. In Schulterblock und Beckenkamm, also im Körper selbst, werden die dafür nötigen Ersatzteile gefertigt. "Sie haben die gleiche Größe, Form und Gewebestruktur wie das Gaumengewölbe", so der Chirurg. Es werden Implantate eingesetzt, die direkt im Schulterblatt verheilen. Anschließend kommen Haut und Membranen darüber, so kann Zahnfleisch entstehen.

Vinzenz kritisiert, dass nach Operationen mitunter Gesicht, Nase und Kiefer asymmetrisch, Wangen sowie Lippen verzogen sind und Betroffene sich danach mit diesem Aussehen abfinden müssen, weil zu wenig Wert auf die Ästhetik gelegt wird. Zudem werden zwar Operationen, wenn es rein um die Funktion geht, bezahlt, "wem sein Gesicht nicht gefällt, der muss aber selbst zahlen", sagt auch Schachner. Vinzenz ergänzt: "Das ist kein Luxuseingriff, das Aussehen beeinflusst die Psyche."

Besonders Implantate sind teuer. "Die Kosten liegen im Bereich eines Kleinwagens", sagt Vinzenz. Nur manche Kassen genehmigen einen Zuschuss. Den Zahnarzt müssen sich auch die LKGS-Patienten nämlich erst einmal leisten können. (Bernadette Redl, 5.3.2019)