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"Wenn etwas es wert ist, dafür zu kämpfen, dann stehe auf und kämpfe": Den Slogan auf seinem T-Shirt will Nicola Zingaretti in die Tat umsetzen.

Foto: Angelo Carconi/ANSA via AP

Das Überraschende an der Urwahl des neuen Oppositionschefs ist nicht der Name des Siegers: Dass Nicola Zingaretti, Gouverneur der Region Latium und zuvor der Hauptstadtprovinz Rom, das Rennen machen würde, war angenommen worden. Überraschend – und aus Sicht der italienischen Linken ermutigend – war vielmehr die Stimmbeteiligung: Rund 1,8 Millionen Parteisympathisanten begaben sich am Sonntagabend in die rund 7000 Wahlbüros, die der Partito Democratico (PD) landesweit eingerichtet hatte. Die Partei hätte sich mit einer Million zufriedengegeben – und selbst dieses Ziel erschien manchen als viel zu optimistisch.

Gleichzeitig gingen am Wochenende in Mailand eine Viertelmillion Menschen gegen Rassismus und Diskriminierung von Flüchtlingen auf die Straße – es war die größte Kundgebung in Italien seit Jahren. Und auch hier wurden die kühnsten Erwartungen der Organisatoren, unter ihnen der PD, übertroffen. "Ein anderes Italien ist möglich!", rief der linke Bürgermeister Mailands, Beppe Sala, aus: ein weltoffenes, tolerantes Italien, in welchem nicht "die Italiener zuerst" kommen (wie dies der rechte Innenminister Matteo Salvini propagiert), sondern "die Menschen".

Raus aus dem Koma ...

Die Urwahl und die Demo waren erste ernstzunehmende Lebenszeichen einer Partei, die nach der Niederlage bei der Parlamentswahl vor genau einem Jahr in eine Schockstarre verfallen war. Der PD war auf 18,7 Prozent abgestürzt, nachdem er bei den Europawahlen 2014 unter dem damaligen Regierungs- und Parteichef Matteo Renzi noch über 40 Prozent jubelte.

Nichts illustriert den bisherigen komatösen Zustand der Partei besser als der Umstand, dass sie ein Jahr gebraucht hat, um einen neuen Chef zu wählen. Tatsächlich wird die erste und wichtigste Aufgabe Zingarettis darin bestehen, die heillos zerstrittene Partei zu befrieden und ihr neues Leben einzuhauchen. Und das wird dem 53-Jährigen durchaus zugetraut. Zingaretti ist unaufgeregt, fast öffentlichkeitsscheu – ganz im Gegensatz zum polarisierenden und mediengewandten Ex-Chef Renzi. Zingaretti wird dem linken Flügel zugeordnet, während Renzi für viele PD-Mitglieder eigentlich gar kein Linker mehr war.

Mit ihm wird sich der PD neu positionieren – nicht mit Radikalpositionen, aber wieder erkennbar links der Mitte. Zingaretti hatte sich nach den Wahlen 2018 auch für Koalitionsgespräche mit der von Komiker Beppe Grillo gegründeten Fünf-Sterne-Bewegung ausgesprochen. Dies hatte Renzi vereitelt – und die "Grillini" damit in die Arme von Salvinis rechter Lega getrieben.

... und Stimmen zurückholen

Bei den Wahlen vor einem Jahr hatte der PD 3,5 Millionen Stimmen an die Fünf-Sterne-Bewegung verloren. Diese zurückzugewinnen wird ein weiteres zentrales Ziel des neuen Parteichefs sein. Und es ist alles andere als aussichtslos: Die Protestbewegung, nunmehr mit der Lega in der Regierung, hat die Sympathien vieler ihrer Anhänger verloren, weil sich ihre Minister der Agenda Salvinis völlig untergeordnet und sie fast alle ihre Ideale und Prinzipien über Bord geworfen haben. Die Quittung dafür erhielten die "Grillini" bei den Regionalwahlen in Sardinien vor einer Woche: Sie stürzten auf der Insel innerhalb nur eines Jahres von 42,5 auf neun Prozent ab.

Zwar kommt der PD in nationalen Umfragen derzeit auch nur auf gut 18 Prozent, doch auf Sardinien hat der linke Kandidat Massimo Zedda, der ein breites Mitte-links-Bündnis anführte, deutlich über 30 Prozent der Stimmen erzielt. Das war ein klares Zeichen dafür, dass die Wähler, die vor einem Jahr vom PD abgewandert waren, nicht auf immer und ewig verloren sein müssen – sofern die Linke geeint auftritt, wie in Sardinien. (Dominik Straub aus Rom, 4.3.2019)