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Emir Tamim bin Hamad: Der jüngste Herrscher am Golf folgte 2013 auf seinen Vater, ungewöhnlicherweise zu dessen Lebzeiten.

Foto: REUTERS/Mohamed Azakir/File

Wer aller mit wem nicht kann oder will: Bei der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar soll sich Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi geweigert haben, im selben Raum wie der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, zu sprechen – hingegen hatte sich die EU bei ihrem Gipfel mit der Arabischen Liga in Ägypten zehn Tage später ausbedungen, dass Saudi-Arabien nicht durch seinen "toxischen" – so ein EU-Diplomat – Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) vertreten wird. In Wien wird am Dienstag der katarische Emir freundlich zu einem offiziellen Besuch empfangen. Das ist die eher unerfreuliche Realität für das "Quartett" aus Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE), Bahrain und Ägypten, das Katar seit mehr als eineinhalb Jahren boykottiert. Sie sind mit ihrer diplomatischen und wirtschaftlichen Isolationspolitik weitgehend alleine geblieben.

Auch die USA, deren Präsident Donald Trump so enge Beziehungen zu Saudi-Arabien pflegt, lassen Katar nicht links liegen. Soeben machte Trump-Schwiegersohn und Nahost-Beauftragter Jared Kushner Station in Doha. Am Montag war dort aber auch der russische Außenminister Sergej Lawrow zu Besuch.

Diplomatie ungebrochen

Mit den USA hat Doha bilateral versucht, Punkte auszuräumen, die das Quartett als Gründe für den Bruch angibt, vor allem die "Unterstützung von Terrorismus". Die Verhandlungen der USA mit den Taliban finden in Doha statt. Die EU hat soeben mit Katar ein Flugrechteabkommen mit neuen Regeln für fairen Wettbewerb und SozialStandards geschlossen: das erste seiner Art mit einem Land am Persischen Golf.

Saudi-Arabien steckt viel Geld in die Anti-Katar-Propaganda – von Social-Media-Kampagnen, bei denen sich die Hausfrau aus dem amerikanischen Mittelwesten empört über Katars Untaten zeigt, bis zu "Oppositionskonferenzen". Katar profitiert jedoch zurzeit nicht zuletzt vom beschädigten Image Saudi-Arabiens nach dem Khashoggi-Mord.

Kritik wird entwertet

Die Kampagnen gegen Katar sind teilweise so grotesk, dass sie durchaus angebrachte Kritik – etwa an den Rechten der ausländischen Arbeitnehmer im Emirat oder eben auch Katars Kontakten mit extremistischen islamistischen Gruppen – zu delegitimieren drohen. Dass Katar viel Geld in den Gazastreifen steckt und damit indirekt der Hamas hilft, geschieht allerdings mit Wissen und Zustimmung Israels.

Auch wirtschaftlich hat sich Katar als resistent erwiesen, auch wenn die Kapitalreserven – von 340 Milliarden US-Dollar – ordentlich angeknabbert wurden. Katar hat die drittgrößten Gasreserven und ist der größte Exporteur von Flüssiggas. Die Wirtschaft wächst trotz des Embargos. Aber es gibt auch Einbußen, etwa beim Tourismus, die Immobilienpreise fallen, und die Lebenshaltungskosten steigen.

Glück mit dem Hafen

Manche Analysten meinen aber, dass Katar durch einen gewissen strukturellen Reformzwang profitiert habe. Eigene Produktionen wurden eröffnet, wo früher nur importiert wurde. In die Medien schaffte es ab 2017 vor allem der Import von zehntausenden Kühen zur Erzeugung von Milchprodukten. Apropos Import, zu Katars Glück war der Tiefwasserhafen Hamad, der viel größere Frachtschiffe zulässt, zu Beginn des Embargos fast fertiggestellt.

Davon, dass sich die Saudis und Emiratis selbst vom Geschäft abgeschnitten haben, profitiert in der Region vor allem der Oman, aber auch der Iran. Katar hat aber auch versucht, seine Wirtschaftsbeziehungen in den Westen zu stärken. Einer der Termine des Emirs in Wien ist die Wirtschaftskammer.

Saudi-Arabien und die VAE sollen im Sommer 2017 ernsthaft mit dem Gedanken gespielt haben, in Katar einzumarschieren. Das hat zu erhöhten Investitionen Katars im militärischen Bereich geführt. Auch beim Besuch Lawrows ging es unter anderem um den möglichen Kauf des S-400-Raketenabwehrsystems.

Neuer Nationalismus

Das Gefühl der Unsicherheit nimmt auch die Bevölkerung mit. Und es gibt viele katarische Familien, die über die Golfstaaten verstreut leben: In den Quartett-Ländern scheuen viele aus Angst vor Repressalien davor zurück, die Kontakte mit ihren Verwandten und Freunden in Katar zu halten. In Katar hingegen wurden die Fronten hinter Emir Tamim, mit 39 Jahren der jüngste Herrscher am Golf, geschlossen, der Nationalismus erlebt durch die diplomatische Krise einen Aufschwung. Andererseits ergeben ganz neue Umfragen, dass in keinem anderen Staat der Region das Bewusstsein für Rede- und Meinungsfreiheit so wächst wie in Katar. (Gudrun Harrer, 5.3.2019)