Für ihre Untersuchung markierten die Wissenschafter einzelne Exemplare der Spezies Camponotus fellah.

Foto: Université de Lausanne

Lausanne – Ameisen bleiben im Laufe ihres Lebens meist nicht beim selben Job: In ihrer Jugend kümmern sie sich um den Nachwuchs, wenn sie älter werden, verlassen sie als Kundschafterinnen das Nest. Nun haben Wissenschafter von der Schweizer Universität Lausanne ein Hormon entdeckt, das beim Wechsel der Ameisenaufgaben eine herausragende Bedeutung hat.

Das Neurohormon Inotocin ähnelt dem "Kuschelhormon" Oxytocin, das beim Menschen und anderen Wirbeltieren beispielsweise bei Uteruskontraktionen, Milchbildung und Eltern-Kind-Bindung eine wichtige Rolle spielt. Die Funktion von Inotocin, das bei Ameisen vorkommt, war allerdings bisher größtenteils unbekannt.

Von der Brutpflegerin zur Futtersucherin

Ein Forschungsteam um Laurent Keller von der Universität Lausanne berichtet nun mit Kollegen aus Japan, dass dieses Hormon bei der Organisation von Ameisenstaaten entscheidend ist: Es reguliert den Übergang von einem "Job" als Brutpflegerin im Inneren des Nests zur Aufgabe als Futtersucherin draußen, wie die Wissenschafter im Fachjournal "PNAS" schreiben.

Keller und sein Team erforschen seit längerem die komplexe soziale Organisation von Ameisen am Beispiel der Art Camponotus fellah. Diese relativ große Art, die im mediterranen bis afrikanischen Raum vorkommt, lässt sich leicht im Labor halten.

"Die Kolonie umfasst eine Königin und mehrere tausend unfruchtbare Arbeiterinnen, deren Aufgaben klar definiert sind", erklärte Keller. "Während der ersten vier Lebensmonate bleiben junge Arbeiterinnen im Nest, um sich um die Brut zu kümmern, also Eier, Larven und Nymphen." Im Alter von vier bis sechs Monaten verlassen sie diese geschützte Umgebung jedoch, um sich auf Nahrungssuche zu begeben.

Anpassung an die gefährliche Außenwelt

Das bedeutet eine große Anpassung, sind sie doch außerhalb des Nests nicht nur Feinden, sondern auch schwankenden Umweltbedingungen ausgesetzt. Vor allem die Gefahr, auszutrocknen, stellt ein großes Risiko dar. Um sich zu schützen, entwickeln die Ameisen-Kundschafterinnen einen speziellen Überzug aus Kohlenwasserstoffen. Dieser dient auch der Erkennung innerhalb des Ameisenstaats, berichten die Wissenschafter.

Die Entwicklung dieses Schutzschildes wird durch eine Änderung des Hormonspiegels von Inotocin ausgelöst, wie die Wissenschafter berichten. Durch genetische und pharmakologische Methoden konnten sie zeigen, dass die Produktion dieses Hormons mit dem Alter der Arbeiterinnen gekoppelt ist.

Wenn eine Ameise also das Alter erreicht, um das Nest zu verlassen, erhöht sich bei ihr die Produktion des Neurohormons, was wiederum die Bildung der Schutzschicht anstößt. Dies erlaube ihr als Futtersucherin, in der feindlicheren und trockeneren Umgebung außerhalb des Nests zu überleben und bei ihrer Rückkehr als Mitglied des Ameisenstaats wiedererkannt zu werden, fasste Keller zusammen. (red, APA, 5.3.2019)