Kaja Kallas, Ex-MEP und bald PM.

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Bumm, zack, bäng-bäng, tusch. So ähnlich tönt es dieser Tage in dem Video, das in der estnischen Sphäre des Social-Media-Netzwerks Instagram kursiert. Darauf zu sehen: eine blonde Frau, die behände ein Schlagzeug bearbeitet – "lass es uns tun", kommentiert die Protagonistin darunter.

Kaja Kallas (41), möglicherweise in Bälde Estlands erste Regierungschefin, fegt auch fernab von Trommeln, Tom und Hi-Hat wie ein Wirbelwind durch die Politik der kleinen Balten republik. Am Sonntag führte sie ihre rechtsliberale Reformpartei zum Sieg bei der Parlamentswahl, die auch per E-Voting absolviert werden konnte.

Anders als Noch-Ministerpräsident Jüri Ratas, der seine Stimme schon in der Vorwoche während des EU-Arabische-Liga-Gipfels in Ägypten elektronisch abgegeben hatte, erschien Kallas am Sonntag jedoch höchstselbst in einem Wahllokal in der Tallinner Innenstadt, um ihre Stimme abzugeben. Ihr kleiner Sohn, verriet sie dem estnischen Rundfunk, habe unbedingt sehen wollen, wie eine Wahl ablaufe.

Zeichen gegen Politikverdrossenheit

Gut möglich ist freilich auch, dass die studierte Juristin, die im EU-Parlament jahrelang über die Digitalpolitik der Union Bericht erstattete, damit auch ein Zeichen gegen die Politikverdrossenheit setzen wollte. Trotz des vergleichsweise bequemen Wahlmodus haben am Sonntag gerade einmal zwei Drittel der Esten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. "Die Esten sind nicht wie die Franzosen, die in den Straßen Autos anzünden", sagte Kallas, die erst seit elf Monaten an der Spitze der wirtschaftsfreundlichen Reformpartei steht. "Sie zeigen ihren Protest, indem sie einfach nicht mitspielen und nach Lettland fahren, um dort ihr Bier für die Sauna zu kaufen."

In jenem Spiel hingegen, in dem es die leidenschaftliche Joggerin am Sonntag als Erste über die Ziellinie geschafft hat, schickt Kallas sich schon kurz nach Wahlschluss an, der Konkurrenz ihre Regeln aufzudrücken. Keine Koalition mit den Rechtspopulisten, lautet eine davon. Die Themen Steuern, Staatsbürgerschaftsrecht und Bildung könnten zudem einer Koalition mit der in Umfragen eigentlich favorisierten Zentrumspartei entgegenstehen.

Ein besonders prominenter Berater dürfte in den kommenden Tagen und Wochen im Hause Kallas ein- und ausgehen: ihr Vater Siim. Dieser gehört zu den Parteigründern und war nach der Jahrtausendwende estnischer Regierungschef und EU-Kommissar. (Florian Niederndorfer, 4.3.2019)