Gute Laune wird überbewertet: Royal Trux sind zurück, Fuck you!

Foto: Fat Possum

Rock’n‘Roll ist ursprünglich eine schäbige Kunst. Wie sonst konnte in den 1950ern ein Lastwagenfahrer ihr König werden? Da galt es, den Dreck unter seinen Nägeln eben in Kauf zu nehmen. Es hilft nichts – hin und wieder muss man ja daran erinnern, dass die ganzen Nickelbacks und Bon Jovis dieser Welt bloß Rock spielen: Musik nach Vorschrift.

Royal Trux müssen sich diesbezüglich nichts vorwerfen, sie haben dem Unreinen in ihrer Musik immer Platz gegeben, sogar dem Junk der Junkies. Denn Jennifer Herrema und Neil Hagerty haben sich zu Beginn ihrer Karriere mit Royal Trux nicht nur theoretisch für verbotenen Stoff interessiert. Ende der 1980er-Jahre war das, das Duo auch privat ein Paar.

Als solches sind sie längst Geschichte, von Royal Trux dachte man dasselbe, doch nach fast zwei Jahrzehnten ist nun ein neues Album erschienen: White Stuff.

Der Titelsong des neuen Albums von Royal Trux. Sexy.
Pitchfork

Der Titel ist wertkonservativ gewählt und evoziert, dass gewisse Gewohnheiten selbst mit fast 50 Jahren noch nicht überwunden sind. Aber beim Thema ungesund altern ist Keith Richards immer als Ausrede gut; und der gilt bei Royal Trux als Hausheiliger. Außerdem ist das Album sehr gut.

Nicht grindig, bloß räudig

Für Royal Trux’sche Verhältnisse ist es nachgerade geschniegelt ausgefallen. Das bedeutet, es klingt nicht zerschossen, ramponiert und grindig, sondern bloß räudig. Lässig räudig. Was das Image betrifft, ist sich dieser Trash-Adel treu geblieben, muss ja. Adel verpflichtet, heißt es, und sei er noch so niedrigen Standes.

Herrema hält an ihrem Trailerpark-Chic fest wie ihre Hand die Bierdose: Stirnfransen bis zur Nase, Tschick, Baseballjacke, obendrauf eine Kappe aus Bad America. Die letzten Jahre betrieb sie die Band Black Bananas, Hagerty die Gruppe Howling Hex.

Royal Trux sind auf den Hund gekommen? Nicht doch. Year Of The Dog.
Fat Possum Records

Royal Trux kamen ursprünglich aus Washington D.C. und haben die Rolling Stones mit dem Lärmrock der 1980er-Jahre vermählt. Dazu verwendeten sie Charakteristika aus dem Blues, Boogie und Funk, aber alles mutwillig entstellt, und von Herremas angewidertem Gesang in eine Atmosphäre verpflanzt, in der der Sodbrand niemals nachlässt.

Im Goldrausch unter Vertrag genommen

Für die dazu passende Musik ist Neil Hagerty verantwortlich. Der war vor Royal Trux bei Pussy Galore, einer Trümmerpunk-Band, aus der später die Jon Spencer Blues Explosion entstand. Im Goldrausch nach dem kommerziellen Durchbruch von Nirvana und Co angelte sich Virgin Records in den mittleren 1990ern-Jahren Royal Trux. Eine Million Dollar sollen damals über den Tisch gewandert sein, drei Alben sollte das berüchtigte Duo dafür abliefern, zwei sind es geworden.

Möglicherweise ein autobiografischer Song, aber was weiß man? Suburban Junkie Lady.
Royal Trux - Topic

Zu der Zeit galten Hagerty und Herrema als ein Paar Made in Rock’n’Roll-Heaven. Ihr verwahrloster Stil konvenierte mit dem Zeitgeist, angeblich clean, modelte Herrema ein paar Jahre für Calvin Klein, kokettierte aber immer mit der Versuchung: Es gibt ein Bild von ihr, da trägt sie ein T-Shirt mit dem Spruch "I didn’t go to highschool, I went to school high".

Kool Keith sagt "Hallo!"

Dazu passend heißt eines der neuen Lieder Suburban Junkie Lady. Wie autobiografisch das ist, weiß man nicht, dem zäh groovenden Song steht die Katerstimmung aber gut an. Diverses Gefiepse und verhalten eingesetzte elektronische Beats bereiten in Get Used To This den Boden für einen Gastauftritt des exzentrischen Rappers Kool Keith, erschienen ist das Album am Label Fat Possum.

Rapper Kool Keith bereichert Get Used To This. Irgendwie halt.
Fat Possum Records

Das hat sich in den 1990ern mit fast vergessenen Bluesern einen Namen gemacht, wirkt also stimmig als Verlag für diese Band. So dysfunktional die Beziehung der beiden Hauptdarsteller sein mag, in ihrer Musik ergibt das prächtige Reibeflächen. Die Funken fliegen, es gibt Momente der Harmonie, dann kracht es wieder ordentlich. Auf zwischenmenschlicher Ebene ist das wahrscheinlich ein anstrengendes Drama, auf Hörerseite ein Genuss. (Karl Fluch, 6.3.2019)