Jeder redet davon, kaum einer fährt eines: ein E-Auto. Kein Fahrzeug polarisiert die Menschen heute mehr – ausgenommen natürlich der Diesel-Pkw. Und das war schon vor mehr als 100 Jahren so. Denn wie inzwischen eh schon jeder weiß, der sich ein wenig mit der Materie beschäftigt: Das E-Auto ist keine neue Erfindung. Schon Oma Duck fuhr ein E-Auto. Eines aus 1912.
Der Franzose Gustave Trouvé baute das erste E-Fahrzeug – na gut, es war ein Dreiradler. 1881 war das, und das Gefährt hieß wenig überraschend "Trouvé Tricycle". Verwunderlicher ist da schon eher, dass es gar nicht primär zum Fahren erfunden wurde, sondern viel mehr eine Art Prüfstand für E-Motoren sein sollte. 74 Watt hatte der Siemens-Motor, der als Antrieb in die Geschichte einging, und der Strom kam aus einem Zwölf-Volt-Bleiakku.
Werner Siemens ließ mit seiner dazu passenden Erfindung nicht lange auf sich warten. Bereits Ende April 1882 präsentierte er in Berlin seinen Elektromote, eine elektrisch angetriebene Kutsche. Allerdings holte er den Strom nicht aus Akkus, sondern aus einer zweipoligen Oberleitung. In dem Fall begrenzte die 540 Meter lange Versuchsstrecke die Reichweite von selbst.
Nach und nach elektrifizierten immer mehr Hersteller Kutschen – experimentierten aber auch bereits mit dem Design. Kleine Räder vorn und große Räder hinten hatte der Flocken, das vermutlich erste bekannte deutsche E-Auto. Große Räder vorn und kleine hinten versuchten etwa die US-Amerikaner Morris & Salom 1894. Wir befinden uns damit schon am Beginn der ersten Blütezeit der E-Mobilität. Sogar in Österreich entsteht noch vor 1900 das erste E-Auto, der Egger-Lohner C.2. Berühmt wird dann aber 1900 der Lohner-Porsche mit seinen vier Radnabenmotoren.
Ausgerechnet ein E-Motor machte ab 1910 den E-Autos das Leben schwer. Der Anlasser war erfunden worden, und fortan musste man Verbrennungsmotoren nicht mehr mühevoll mit der Kurbel starten. E-Autos waren leise, stanken nicht, brachen Geschwindigkeitsrekorde – aber die Verbrenner fuhren einfach weiter, waren schneller getankt, und der Sprit war noch dazu recht billig. Porsche fand die Lösung dafür, bevor das Problem überhaupt aufgetreten war, und baute 1902 mit dem Mixtewagen das erste Hybrid-Fahrzeug. Sagen wir es kurz: Er war seiner Zeit voraus.
In den 1920er-Jahren war das Schicksal der E-Autos fürs Erste besiegelt. Daran konnte nicht einmal die Ölpreiskrise in den 1970er-Jahren viel ändern. Anläufe mit Strom gegen den Strom, wie 1960 von Henney mit Kilowatt, einem E-Auto, das unter dem Blechkleid der Renault Dauphine steckte, floppten – nicht einmal die Hälfte der rund hundert Autos konnte der US-Autobauer verkaufen.
Erst in den 1990er-Jahren nimmt das Thema E-Auto wieder – und somit die Elektrokisten selbst – Fahrt auf. General Motors wollte 1990 mit dem EV1 den Durchbruch schaffen – und beschäftigt Verschwörungstheoretiker bis heute, weil der Konzern die Autos nur vermietete und nach drei Jahren zurückholte, um sie zu verschrotten. Ebenfalls 1990 brachte Fiat den Panda Elettra, mit 70 Kilometer Reichweite und 85 km/h Höchstgeschwindigkeit. Und wieder einmal stammte das Auto aus Österreich, wie Karlheinz Rathkolb, Leiter und Obmann des Johann-Puch-Museum Graz erzählt. Der Wagen wurde nämlich bei Steyr-Daimler-Puch entwickelt und kurioserweise von einem Hubstaplermotor angetrieben. Fünf bis acht Autos wurden in Graz vom Panda Elektro Experimental gebaut – einer steht noch im Museum in der Puchstraße, einer ging nach Italien zu Fiat. Dort baute man mit jener Technik nicht nur den Panda, sondern auch den Cinquecento, den Seicento und den Ducato auf. Große Erfolge waren auch Peugeot mit dem 106 Electric nicht beschert. Oder VW mit dem Golf Citystromer.
Erst 2006, mit Tesla, wird das E-Auto wieder interessant. Elon Musk nimmt die Hülle eines Lotus, ein paar Knöpfe aus dem Regal von General Motors und baut einen Roadster mit E-Antrieb. Der Tesla Roadster fasziniert mit seiner stufenlosen und ganz argen Beschleunigung. Schwächen der Verarbeitung und, ob des hohen Gewichts, bei der Fahrdynamik, fallen dabei gern unter den Tisch. Der Wagen ist viel mehr ein gelungener Fingerzeig auf das, was Elon Musk in Zukunft vor hat – und als solcher funktioniert er hervorragend.
Das erste Elektroauto, das in Großserie vom Band läuft, ist aber in jeder Hinsicht ein anderes. Der Mitsubishi i-Miev. Dessen Name brannte sich den Deutschsprachigen ins Gedächtnis wie den Spaniern der des Pajeros. Mitsubishi hat da offensichtlich ein Händchen mit den Namen – aber das ist gerade nicht das Thema. Es geht um den Durchbruch der E-Mobilität. Ab Ende 2010 war der i-Miev in Europa erhältlich, bis Ende 2012 wurden 34.000 Fahrzeuge verkauft. Da muss man dann noch die Peugeot iOn und Citroën C-Zero dazurechnen, denn die Franzosen rochen den Braten und wollten am E-Kuchen mitnaschen. Sie kauften ebenfalls i-Mievs, die sie dann – feinstes Badge-Engineering – unter ihrem eigenen Namen verkauften. Zu früh gefreut, mag man meinen, wenn man sich anschaut, was die Kollegen von Renault-Nissan kurz darauf auf die Räder gestellt haben.
Ende 2011 startet Renault seine Elektrooffensive mit dem Fluence Z.E., brachte mit dem Kangoo Z.E. einen kleinen Nutzi auf den Markt und setzte mit dem Spaßmobil Twizy noch einmal einen oben drauf. Der Durchbruch gelang dann aber mit dem Zoe, der 2013 auf den Markt kam. Er und sein Bruder Nissan Leaf raufen im Ranking der Verkaufszahlen in Europa um den ersten Platz. Die beiden Fahrzeuge haben um einen vernünftigen Preis eine gute Ausstattung, eine alltagstaugliche Reichweite – und seit der Leaf in seiner zweiten Generation angekommen ist, sind beide Autos auch noch dazu so schön, dass man gerne Auto dazu sagt. In Österreich übrigens hat Volkswagen mit dem e-Golf die Zulassungsstatistik ordentlich durcheinandergebracht. Weltweit hat laut McKinsey gerade jemand anderes die Nase vorn.
"Global meistverkauftes E-Auto war 2018 der Tesla Model 3 mit 146.000 Einheiten und damit einem Anteil von 7 Prozent. Mit knapp 250.000 Verkäufen war Tesla auch die weltweit führende Marke vor BYD und Beijing Auto. Mit BMW (125.000 verkaufte E-Autos) und VW (52.000) konnten sich zwei deutsche Unternehmen in den Top Ten platzieren", schreibt Mc Kinsey in einer aktuellen Presseaussendung. Und weiter: "2018 wurden weltweit erstmals mehr als zwei Millionen Elektroautos verkauft – davon mehr als die Hälfte in China. Der Markt dort wuchs 2018 um 85 Prozent, während das Plus in Europa nur 38 Prozent betrug." Stärkster Markt in Europa ist, no na, Norwegen. Und was macht die E-Mobilität in Österreich?
Da läuft zum Beispiel in Graz für Jaguar der I-Pace vom Band. Er ist aktuell sicher eines der faszinierendsten E-Autos weltweit. Der Sport-SUV mit 400 PS und realistischen 300 Kilometer Reichweite hat aber einen Nachteil. Er ist teuer. Ab 78.380 Euro geht es los. Da ist nach oben hin noch dazu ein wenig Luft. Günstiger wenn auch nicht ganz so emotional wird man da schon bei Hyundai und Kia bedient.
Apropos Elektro-Jaguar: Am Linzer Technikum entstand ein Elektro-XJ, den die Schüler der HTL Paul Hahn umbauten. "Ein E-Motor hat einen unschlagbaren Wirkungsgrad im Gegensatz zum Verbrenner, der bekanntlich nur einen Wirkungsgrad von 40 Prozent aufweist. Dieser Wert wird aber nur unter Idealbedingungen erreicht. Ein E-Motor hingegen erreicht einen Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent", sagt Manuel Rechberger, einer der Schüler, zu den Beweggründen, einem alten 12-Ender-Jag einen 110 PS starken E-Antrieb einzusetzen.
Und da stehen wir jetzt und schauen rüber nach Genf, von wo derzeit im Sekundentakt Meldungen über neue E-Autos abgeschickt werden. Peugeot elektrifiziert den 208er, Volkswagen bringt noch immer, oder schon wieder, eine ganze Palette von E-Autos, Porsche auch, Seat hat eine Twizy-Kopie im Portfolio und stellt sein erstes vollelektrisches Fahrzeug vor, Volvo schiebt den Polestar 2 raus, Honda verkündet, ab 2025 überhaupt nur noch E-Autos zu bauen.
Zu kaufen gibt es derzeit aber wenig bis gar nichts. Die wenigen Hersteller wie BMW, Kia, Hyundai, Renault, Nissan und Jaguar, die E-Autos im Angebot haben, können die Nachfrage zum Teil nicht befriedigen. Von Tesla reden wir gar nicht, von da kommen seit Jahren nur Versprechungen, die nicht im Ansatz gehalten werden. Und die anderen üben sich inzwischen in derselben Kunst der Ankündigungen. Daran wird sich bis Anfang 2020 auch nichts ändern. Österreich wird davor kein zweites Norwegen werden. Aus einem einfachen Grund.
2020 müssen die Fahrzeughersteller ihre Flottenverbräuche dramatisch senken, sagt der Gesetzgeber. Das heißt aber auch, dass sie sich mit jedem vor 2020 verkauften E-Auto ins eigene Fleisch schneiden. Und das werden sie mit allen Mitteln zu verhindern versuchen, denn die Strafzahlungen, die bei Nichterreichen der Ziele fällig sind, sind so groß, dass man heuer lieber noch kein E-Auto verkauft. Wir müssen uns also noch bis 2020 gedulden. Dafür werden die Hersteller dann in Sachen E-Mobilität anschieben, dass es uns nur so reißt. Versprochen. Das E-Auto war also nicht. Es kommt. Aber erst, wenn das die Gesetze und die Wirtschaft erlauben. Nicht wenn es vernünftig ist. (Guido Gluschitsch, 6.3.2019)