Frauenpower für die Kunsthalle: das WHW-Kollektiv Nataša Ilić, Ivet Ćurlin und Sabina Sabolović (von links).

Damir Žižić

Zwei Ks, Kooperation und Kollektiv, scheinen immer wichtiger zu werden. Nachdem zuletzt verkündet wurde, die nächste Documenta werde eine Künstlergruppe leiten, hat Wien nun auch sein Kollektiv. WHW – kurz für what, how and for whom? – heißt das Kuratorinnentrio aus Zagreb, das ab Juni die Wiener Kunsthalle leiten und deren Zukunft neu denken soll.

Mit einer weiblichen Spitze war zu rechnen. Und für die dreifache Frauenpower von WHW sprach schon allein die erprobte Zusammenarbeit mit Veronica Kaup-Hasler beim Steirischen Herbst 2011. Als "unprätentiös, intellektuell und gleichzeitig humorvoll" charakterisiert die Kulturstadträtin Ivet Ćurlin, Nataša Ilić und Sabina Sabolović. Dem nach 20 Jahren Zusammenarbeit eingespielten Team gibt sie allerdings einige Brocken mit auf den Weg.

Zum einen wird die Diskussion um den infrage gestellten "guten und gleichzeitig hochproblematischen" Standort Museumsquartier weiter zu führen sein. Am Dienstag relativierte die Kulturstadträtin eine Umsiedlung jedoch und sprach nur noch von einer "Gedankenoption". Umso wichtiger wird es, Kaup-Haslers Anspruch, in die Bezirke hinauszugehen, auf andere Art zu lösen.

Lokale Strahlkraft

Zum anderen hat die Kunsthalle bei Besucherzahlen (70.000 pro Jahr, davon rund 50 Prozent zahlende) noch viel Luft nach oben. Ebenso ist die "lokale Strahlkraft" Teil der Agenda. Gerade bei diesem Punkt ließ die Kunsthalle unter Nicolaus Schafhausen zu wünschen übrig. Dass sie keine Plattform mehr für österreichische Kunstschaffende ist, wird wohl mit der jetzigen Personalentscheidung Geschichte sein. Denn WHW sieht eine Kunsthalle als "unterstützende Struktur" – für Künstler, Publikum und Region.

Flapsig übersetzt heißt das: Es soll wieder mehr rumoren. Mehr Labor und Experiment statt heilige Hallen. Die Kunsthalle soll wieder ein Ort der Produktion werden – nicht nur von Kunst, sondern auch von Dialog. Denn den kommunikativen Aspekt der Institution "im Herzen Europas" betont das Trio. WHW spricht von einem "Treffpunkt", an dem unterschiedliche Meinungen über die Kunst und die Zukunft der Gesellschaft verhandelt werden.

Sabina Sabolović, Ivet Ćurlin und Nataša Ilić bei der Pressekonferenz zur Direktion der Kunsthalle Wien am Mittwoch.
Foto: APA/Techt

Und wer ist der Boss im Kollektiv? Alle und keiner. Oder, in den Worten von Ivet Ćurlin: "Wir werden alle alles tun." Das sei zwar nicht immer einfach und brauche mehr Zeit, aber die Voraussetzung für programmatische Entscheidungen sei immer Konsens. Unter Beweis gestellt hat das 1999 gegründete Kollektiv die Fähigkeit zur Kooperation schon oft. 2009 leitete es die Istanbul Biennale (50 Prozent Frauenanteil), es kuratierte Projekte in London, Antwerpen, Hongkong oder New York und 2011 etwa den kroatischen Beitrag der Biennale Venedig. Und nicht zuletzt leiten WHW seit 15 Jahren in Zagreb den städtisch finanzierten Ausstellungsraum Galerie Nova. Aufgeben werden sie den Raum nicht. Allerdings wird Ana Dević, die eigentlich Vierte im WHW-Verbund, nun die operativen Geschäfte führen. Die anderen drei verlegen ihren Lebensmittelpunkt in die "schönste Stadt der Welt".

Kein dreifaches Honorar

Teilen müssen sich WHW das Gehalt eines Direktors zum Glück nicht. Verdreifachen wird sich das Honorar aber auch nicht. Der Teil des nun auf 4,1 Millionen Euro erhöhten Budgets, der für Kunst ausgegeben wird (rund 1,2 Millionen), werde jedenfalls gleich bleiben. Das heißt auch, dass der laufende Betrieb mit mehr als 40 Mitarbeitern mehr als zwei Drittel der Summe verschlingt. Ob man mit drei Kuratorinnen an der Spitze irgendwann beim kuratorischen Personal kürzen wird, blieb offen.

Wohin es inhaltlich geht, daran lassen Ausstellungen wie Zweite Welt beim Steirischen Herbst 2011 keinen Zweifel: Damals ging es um Wendepunkte und Potenziale von Geschichte und Zukunft, um Kolonialismus, Rassismus, Ökonomie und Politik. Die Kunst nahm dabei den Ort eines Paralleluniversums ein, ein Raum, in dem das Denken in Alternativen nicht durch Gesetze des Faktischen und Moralischen begrenzt wird. Das Bauen an Utopien scheint auch für Wien die Devise zu sein: "In einer Zeit der Polarisierungen hat Kunst das Potenzial, uns allen zu helfen." (Anne Katrin Feßler, 6.3.2019)