Seit der letzten Krise haben sich die Euroländer etwa mit Schutzschirm und Bankenunion gewappnet. Ökonomen fragen sich, ob das reicht.

Foto: imago / Christian Ohde

Wir sind zum Euro verdammt. So fasst der Ökonom Christian Keuschnigg die Lage zusammen, als am Dienstag in Wien bei einer Veranstaltung des Club 20 und des STANDARD über die Zukunft der gemeinsamen Währung diskutiert wurde. Ein Scheitern der Eurozone könnte erhebliche wirtschaftliche Schäden anrichten. "Dann kann ich mir auch den Bestand der EU nicht mehr vorstellen", warnt der Ökonom.

Die jüngste Krise habe Schwachstellen offengelegt. "Kein Land illustriert die Fehlentwicklung so sehr wie Italien." Doch die strukturellen Probleme des Landes – die Staatsschuld macht über 130 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus – müsste die Regierung in erster Linie durch eine neue politischen Kommunikation angehen: Nicht "wir gegen Zwangsreformer in Brüssel" sollte die Devise in Rom lauten, sondern "Wir reformieren für die Zukunft unserer Kinder".

Harte Währung braucht Weile

Doch die Gefahr, dass Italien tatsächlich die Eurozone sprengt, beurteilt der Ökonom und ehemalige Vorsitzende der Eurogruppe-Arbeitsgruppe, Thomas Wieser, als "verschwindend gering". Dass man die Sorgen der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone damit lösen könne, dass man mehr Geld ins System pumpt, bezweifelt er aber. Jahrzehnte des unterdurchschnittlichen Produktivitätswachstums ließen sich damit vielleicht ein Jahr lang übertünchen, auf Dauer müsse jedoch die Wettbewerbsfähigkeit steigen. Leider seien in Italien Infrastruktur, Bildung und Forschung budgetär ausgehungert worden.

Geballte Expertise: (von rechts) Christian Keuschnigg (Universität St. Gallen, WPZ), Alfred Katterl (Finanzministerium, Abteilungsleiter für Allgemeine Wirtschaftspolitik), Gertrude Tumpel-Gugerell (ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank), Thomas Wieser (ehemaliger Vorsitzender der Euro-Arbeitsgruppe und des Europäischen Finanzausschusses), Moderator: Eric Frey, leitender Redakteur beim STANDARD.
Foto: Matthias Cremer

Doch für die Sicherheit des Euro sei das nicht das Problem, meint Wieser: "Man kann auch in der Eurozone auf Dauer ein armer Schlucker sein." Der US-Bundesstaat Louisiana zeige das vor; die Stabilität des Dollar hat das nicht weiter tangiert. Ein Ausstieg Italiens aus der Währungsunion würde die Situation aber nur verschlimmern, betont Wieser. "Das haben wir schon damals bei Griechenland numerisch durchexerziert."

Statt schneller Lösungsversuche rät Wieser zu Geduld: Die Disziplin einer harten Währungsunion hätten auch Länder wie Österreich und die Niederlande nicht von heute auf morgen aufgebracht. Notwendige gesellschaftliche Institutionen wie eine funktionierende Sozialpartnerschaft müssten sich über Jahre entwickeln.

Wer haftet im Ernstfall?

Die Euroländer sollten sich auf neue Krisen vorbereiten. Eine gemeinsame Haftung sei dafür aber nicht notwendig, sagt Gertrude Tumpel-Gugerell, ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB). Auch im Fall Griechenlands seien private Gläubiger zur Zeche gebeten worden, aber nicht die übrigen Euroländer.

Dass durch die massiven Anleihenkäufe der EZB indirekt Krisenländer auf Kosten anderer Mitgliedsstaaten gestützt werden, lässt die Notenbankerin nicht zählen. Auch in den USA und Japan hat man auf die Krise mit solchen Kaufprogrammen reagiert. Wichtig für die Stabilität des Euro seien der jüngste Aufbau der Bankenunion und die Möglichkeit gewesen, insolvente Finanzinstitute geordnet abzuwickeln.

Dem pflichtet Alfred Katterl bei. Der Abteilungsleiter für Allgemeine Wirtschaftspolitik im Finanzministerium spricht sogar von "großen Fortschritten" bei der Risikoreduktion für Banken, die unter Österreichs Ratspräsidentschaft erzielt worden seien. Der nächste Schritt sei mehr Risikoteilung durch ein gemeinsames Eurozonenbudget. Momentan ist die Rede von einem Prozent der Wirtschaftsleistung. Dass sich dieser Anteil erhöht, glaubt Katterl nicht. Daran hängt die heikle Frage der Souveränität der Mitglieder. "Angesichts der Vielfalt an Meinungen, was finanziert werden soll, besteht momentan keine Chance auf eine massive Ausweitung des Eurozonenbudgets", ist Katterl überzeugt.

Einlagensicherung "wesentlich"

Ein Reizwort vor allem im deutschsprachigen Raum sind Pläne für eine Einlagensicherung in der Eurozone. Thomas Wieser gesteht ein, seine Meinung dazu in den letzten Jahren geändert zu haben: Langfristig sei für eine funktionierende Währungsunion eine gemeinsame Einlagensicherung "ganz wesentlich".

Der Euro bewegt die Gemüter: "Wieso sollen wir die faulen Mafiakredite absichern?", lautete ein Zwischenruf aus dem Publikum.
Foto: Matthias Cremer

Schließlich würden seit der Einführung der geordneten Abwicklungen für Banken private Gläubiger in die Pflicht genommen, damit nicht die Steuerzahler zum Handkuss kommen. Vor diesem Hintergrund wäre eine Absicherung der Einlagen sinnvoll. Voraussetzung: Wir müssen wissen, wie Risiken in den nationalen Bankensektoren entstehen, und sie auf eine Linie bringen.

Aus der Debatte wird klar: Beim Abtausch Risikoabbau gegen Risikoteilung zwischen den Euroländern geht es bestenfalls nach zwei Schritten vor wieder einen zurück. (slp, 6.3.2019)