Premierministerin Theresa May braucht am kommenden Dienstag eine Mehrheit für den mit der EU ausgehandelten Vertrag.

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Brüssel – Die Europäische Union rechnet nicht mit einem Brexit-Deal vor dem Wochenende. Das sei unwahrscheinlich, sagte ein EU-Vertreter am Mittwoch. "Wir stellen uns auf ein arbeitsreiches Wochenende ein." Am Dienstag brachten die Gespräche mit der britischen Regierung in Brüssel kein Ergebnis. Von EU-Seite hieß es, dass London mehrere Vorschläge gemacht worden seien.

Die Zeit drängt. Denn Premierministerin Theresa May braucht am kommenden Dienstag eine Mehrheit für den mit der EU ausgehandelten Vertrag über die Details des geplanten EU-Austritts. Sie hofft noch auf Zugeständnisse der EU. Diplomaten zufolge könnte May am Montag nach Brüssel kommen, sollte es am Wochenende doch noch Fortschritte in den Verhandlungen geben.

Weiter Streitfrage irische Grenze

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, es gebe weiter keinen Durchbruch bei der besonders wichtigen Frage der irischen Grenze. Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, habe die EU-Kommissare auf ihrem wöchentlichen Treffen informiert, dass die Gespräche mit London schwierig seien.

Die EU-Kommission habe in der Irland-Frage weitere Zusicherungen unterbreitet. Man habe einige Vorschläge angeboten, die befristet gelten sollten, bis eine endgültige Einigung gefunden worden sei. Auch ein May-Sprecher bezeichnete die Verhandlungen als schwierig. Sie würden aber fortgesetzt. Es brauche noch Änderungen, damit Großbritannien auf geordnete Weise aus der EU aussteigen könne.

Robuste Standpunkte ausgetauscht

Der britische Unterhändler Geoffrey Cox sagte am Mittwoch dem Fernsehsender Sky News, beide Seiten hätten ihre "robusten, starken Standpunkte" ausgetauscht. Nun gehe es um die wirkliche Debatte. Die Gespräche sollten bald fortgesetzt werden, sagte Cox. Er könne zwar nichts zum Inhalt der vertraulichen Gespräche sagen. Die Verhandlungspartner seien aber zum Kern der Sache vorgedrungen, und Großbritannien habe "einige sehr vernünftige Vorschläge" vorgelegt.

Bei der Irland-Frage geht um Details für eine Notfalllösung, mit der verhindert werden soll, dass eine harte Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland entsteht – also Kontrollen und lange Wartezeiten für die Wirtschaft im Handel mit Waren. Auch ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts soll vermieden werden. Der sogenannte Backstop soll greifen, wenn Großbritannien und die EU nicht rechtzeitig ein Handelsabkommen abschließen. Brexit-Hardliner im britischen Parlament lehnen die Regelung allerdings ab, weil es kein konkretes Enddatum dafür gibt und sie deswegen nach dem Brexit einen dauerhaften Verbleib in der Zollunion mit der EU befürchten.

Große Frustration

Eigentlich will Großbritannien am 29. März die EU verlassen. Die Details sind aber immer noch unklar, was die Wirtschaft belastet. Der Chef der British-Airways-Muttergesellschaft IAG, Willie Walsh, sprach von einer großen Frustration. "Die Politiker müssen das wirklich lösen."

Im Falle eines ungeordneten Brexit will die britische Regierung laut einem Medienbericht bis zu 90 Prozent der Importzölle streichen. Beibehalten würden die Aufschläge unter anderem bei Autos, Rindfleisch, Lamm und einigen Textilien, berichtete Sky News. May wolle die Einzelheiten veröffentlichen, wenn das Parlament in der kommenden Woche ihr Brexit-Abkommen mit der EU ablehnen sollte. Wirtschaftsminister Greg Clark sagte, sein Land stehe bei einem ungeordneten Brexit vor sehr schwierigen Entscheidungen zum Handel. Produkte könnten teurer oder in manchen Fällen die Industrie geschwächt werden.

Wegen der ausgeprägten Unsicherheit senkte die Industriestaaten-Organisation OECD ihre Prognosen für Großbritannien. Für 2019 wird jetzt nur mit einem Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent gerechnet. Bisher waren es 1,4 Prozent. Für 2020 wurde die Schätzung von 1,1 auf 0,9 Prozent zurückgenommen. Vor dem Anti-EU-Referendum Mitte 2016 war Großbritannien mehrfach die am schnellsten wachsende Industrienation, muss seitdem aber kleinere Brötchen backen, auch weil viele Unternehmen mit Investitionen zögern. (APA, 6.3.2019)