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Michael Jackson soll mehrere Buben sexuell missbraucht haben. Was bedeutet das für seine Fans?

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Was tun mit dem Werk von Michael Jackson? An dem vor zehn Jahren gestorbenen Musiker schieden sich schon zu Lebzeiten die Geister. War er der größte Popstar aller Zeiten oder ein Kinderschänder, der seine Opfer mit Geld zum Schweigen brachte und sich so seine Freiheit erkauft hat? Auf dem US-Bezahlsender HBO wurde die Doku Leaving Neverland gezeigt – DER STANDARD berichtete. Im Mittelpunkt stehen Wade Robson und James Safechuck.

Die beiden heute 36 und 41 Jahre alten Männer waren als Kinder von Jackson auf seine Ranch eingeladen worden. Ein Traum erfüllte sich für die beiden, doch es soll ein Albtraum gewesen sein: Jackson soll sie missbraucht haben. Seitdem wird der Umgang mit Jackson wieder heftig diskutiert. Oprah Winfrey, als Kind selbst Missbrauchsopfer, zeigte Sympathien für die beiden Männer – und erntete von Jacksons Fans einen Shitstorm.

Scheinheiliger Boykott

Der Grabenkampf ist wieder ausgebrochen, und darin erhebt zuerst die Hilflosigkeit ihr Haupt. Norwegische Radios wollten – menschlich enttäuscht – zwei Wochen ohne Jackson Programm gestalten. Auch kanadische Radiostationen spielen zurzeit keine Songs von ihm, so als wären die Missbrauchsvorwürfe neu.

Schon 1993 gab es erste Anschuldigungen, 1994 wurden außergerichtlich 22 Millionen Dollar bezahlt, die Untersuchungen gegen Jackson eingestellt. Immer geht es um Geld. Auch wenn Jackson tot ist, sein Mythos und sein Erbe sind ein Vermögen wert. Das den Nachlass verwaltende Jackson Estate wird auf zwei Milliarden Dollar geschätzt; HBO wurde von ihm auf 100 Millionen Dollar Schadenersatz geklagt.

Was tun als Fan?

Vom rechtlichen Dilemma abgesehen stellt sich bei solchen Anlässen immer die Frage: Wie soll man als Konsument und Fan damit umgehen? Da gibt es keine einfachen Antworten. Wenn ein Künstler, den man verehrt, etwas Schreckliches tut, ist dann seine Musik nicht mehr gut? Kann man ein Album, das vielleicht der Soundtrack einer großen Liebe war, nun nicht mehr hören? Ist ein Film, der einen berührt hat, plötzlich nicht mehr gut?

Bei einem Schauspieler ist das einfacher zu trennen. Da ist klar, der schlüpft in eine Rolle. Bei Musikern ist es anders, aber ähnlich. Auch sie sind Entertainer, verstellen sich für ihre Rolle auf der Bühne. Gerade bei jemandem wie Jackson, der versucht hat, die Magie der Märchen, die er liebte auf die Bühne zu bringen, um damit sein Publikum zu erreichen.

Es bleibt ein Dilemma

Ein guter Film bleibt ein guter Film, ein tolles Album bleibt ein solches, ein toller Sänger ebenfalls, selbst wenn er privat Schreckliches getan hat. Doch der Kontext ist plötzlich ein anderer, wenn sich eine scheinbare Lichtgestalt als menschlich genauso unzuverlässlich erweist, wie der Rest der Menschheit. Es bleibt ein Dilemma, das uns niemand abnimmt.

Vielleicht hilft der Gedanke, dass es für uns ein kleines Problem ist. Zumindest im Vergleich zu dem jener Menschen, denen der Missbrauch widerfahren sein soll. Soll. Denn bewiesen ist nichts, und selbst für Tote gilt die Unschuldsvermutung. (Karl Fluch, 6.3.2019)