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Sie hängen dir das rosa Schleifchen schon als Kind um. Du sollst lieb, hilfsbereit und mitfühlend sein, Kompromisse suchen und bitte nicht zu laut sein. Du sollst gefallen, funktionieren und darfst immerhin passiv existieren. Für abweichendes Verhalten wirst du bestraft: Sagst du deine Meinung, bist du die Oberlehrerin, sprichst du Missstände an, bist du hysterisch, stellst du Forderungen, bist du herrisch, und vielleicht auch aggressiv. Was an Frauen als unsympathisch kritisiert wird, ist später bei Führungskräften als Stärke gefragt: Selbstbewusstsein etwa, Durchsetzungskraft und Ehrgeiz. "Weibliche" Eigenschaften gelten dann zwar als umgänglich, aber schwach. All jene, die den mühsamen Spagat schaffen und "weibliche" wie "männliche" Eigenschaften kombinieren lernen, bekommen vielleicht noch das Label "starke Powerfrau" umgehängt. In all dem Kasperltheater tut es gut zu wissen: Du bist schon richtig, genau so, wie du bist.


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Frauen werden in der Arbeitswelt benachteiligt. Du wirst bei gleicher Qualifikation weniger verdienen als die Kollegen. Dir wird eine Branche nahegelegt, die schlechter bezahlt ist als eine männlich dominierte. Härter wird es, wenn etwa deine soziale Herkunft, Hautfarbe oder Sexualität von der Norm abweichen. In einer Heterobeziehung wirst du öfter die unbezahlte Arbeit leisten: putzen, waschen, bügeln. Maßnahmen wie Quoten oder Lohntransparenz stoßen auf Widerstand der Mächtigen, die um Privilegien fürchten. Mit diesem Wissen: Bleib hartnäckig, zweifle nicht an dir. Bewirb dich für die Stelle, auch wenn du die Anforderungen nicht zu 150 Prozent erfüllst. Such dir Verbündete und sei selbst Ally für andere. So kommst du am ehesten gegen Seilschaften an, die sich Posten, Macht und am Ende Kohle zuschanzen. Wenn sie dann immer noch sagen, du sollst lächeln, sei stolz auf dein Resting-Bitch-Face. Du hast es dir hart erarbeitet.

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Mutterschaft kann eine Falle sein. Spätestens mit 30 wirst du hören, dass es höchste Zeit sei, sich der Kinderfrage zu stellen. Egal wie du es machst, es wird falsch sein: Gehst du nach der Geburt bald Vollzeit arbeiten, wird dir ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Kind ein geredet, gehst du nicht sofort wieder arbeiten oder kehrst in Teilzeit zurück, ebnet das den Weg in die Abhängigkeit vom Partner oder die Altersarmut. Bleibst du zu lange bei den Kindern zu Hause, bist du die Glucke, bleibst du zu kurz, die Rabenmutter. Entscheidest du dich gegen Kinder, kommst du deiner vermeintlich natürlichen Mutterrolle nicht nach. In einer Heterobeziehung bist übrigens du zuständig, nicht ungewollt schwanger zu werden. Wirst du es dennoch, wird man dir erklären, dass du besser aufpassen hättest müssen und dass Abtreibung Mord ist. Lass dich von niemandem drängen oder stressen. Es ist dein Körper und damit deine Entscheidung.

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Dein Aussehen wird stets bewertet. Sind deine Haare kurz, bist du zu männlich, sind sie lang, setzt du deine Reize ein. Bist du geschminkt, bist du eine Tussi, bist du es nicht, lässt du dich gehen. Trägst du kurze Röcke, legst du es ja darauf an. Trägst du weite Klamotten, bist du nicht selbstbewusst. Bist du dick, hast du dich nicht im Griff. Bist du dünn, legst du zu viel Wert auf dein Aussehen. Im Zweifelsfall bist du entweder nuttig oder verklemmt. Slutshaming ist eine Waffe, um Frauen zu beschämen, zu diskreditieren und ihre Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. Ein männliches Äquivalent zur Zuschreibung "Schlampe" gibt es freilich nicht, Männer mit vielen Sexpartnerinnen bekommen im Freundeskreis vielmehr das Goldene Ehrenzeichen für Sexologie verliehen. Bei all der Heuchelei: Du wirst es ihnen nie recht machen können. Also sieh so aus und lebe so ausgelassen, so zurückhaltend oder irgendwo dazwischen, wie es dir gefällt.

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Dein Körper ist in Gefahr. Als Frau wägst du dein Auftreten, deine Kleidung, deinen Alkoholkonsum und deinen nächtlichen Nachhauseweg sorgfältig ab, um deine körperliche Unversehrtheit zu schützen. Du bist immer vorsichtig, obwohl es die Täter sind, die sich ändern sollten. Frauen werden deutlich häufiger Opfer häuslicher, sexueller und sexualisierter Gewalt als Männer. Alle paar Tage versucht ein Mann, seine aktuelle oder frühere Partnerin umzubringen, fast jede zweite Woche gelingt es einem. Grund genug, dir zu glauben, ist das nicht: Nur die wenigsten Anzeigen enden tatsächlich mit einer rechtskräftigen Verurteilung. Im Raum bleibt trotzdem stehen: Du wirst "es" schon irgendwie provoziert haben, mit deinem Lächeln, deinem kurzen Rock – oder weil du schlicht eine Frau bist. Doch das ist alles Ablenkung, um nicht über das tatsächliche Problem sprechen zu müssen: übergriffige Männer und wie sehr ihr Verhalten in unserer Gesellschaft toleriert wird. Such die Schuld dafür niemals bei dir.

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Frauen, die laut sind, sich wehren, Kritik üben, stoßen auf Widerstand. Vor allem bei Männern, die sich die Macht bisher schön unter einander aufgeteilt haben. Das ist völlig normal, niemand gibt gerne Kuchen ab. Deine Aussagen werden weniger ernst genommen und lächerlich gemacht. Empörst du dich öffentlich, riskierst du, beleidigt, bedroht und angegriffen zu werden. Männer (ja eh, #NotAllMen) beklagen sich dann über "Gesinnungsterror" oder sehen sich als Opfer des "Genderwahns". Mit Begriffen wie "zickig", "bitchy" oder "stutenbissig" werden Frauen, die den Mund auf machen, weiter kleingehalten und ein vermeintlicher Konkurrenzkampf heraufbeschworen, der weibliche Bündnisse verhindern soll. Nimm solche Zuschreibungen nie ernst und streiche sie aus deinem Wortschatz. Nutze deine Energie für sinnvolle Kämpfe und nicht für Trolle im Internet, die kein Interesse an einer ernsthaften Diskussion haben. Als Feministin wirst du unbequem sein und keinen Pokal gewinnen – dafür aber ein möglichst selbstbestimmtes, freies Leben.

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(Noura Maan, Sandra Nigischer, Daniela Rom, 8.3.2019)