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Aus vielen Beratungsgesprächen weiß Katrin Wilkens, wie schwierig es für Mütter oft ist, den Wiedereinstieg in den Beruf zu schaffen.

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Wilkens arbeitet als Journalistin und Jobberaterin in Hamburg.

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STANDARD: Sie sind Journalistin, dreifache Mutter und helfen Frauen nach der Babypause dabei, den passenden Job zu finden. Was ist nach der Karenz anders als davor?

Wilkens: Was sich mit Kind vor allem ändert, sind die Werte. Auf einmal fängt man an, vieles zu hinterfragen, möchte etwa in einem nachhaltigeren Unternehmen arbeiten. Oder, wenn man sich schon so zerreißt zwischen Kind und Karriere, wenigstens etwas tun, wofür man brennt.

STANDARD: Für viele macht also der Job, den sie gemacht haben, so keinen Sinn mehr?

Wilkens: Genau. Es kann aber auch sein, dass der Chef gar keine Teilzeitkräfte will. Oder die Branche erfordert es, dass man Vollzeit arbeitet. In der Architektur ist das zum Beispiel so oder bei Anwältinnen in einer Kanzlei. Die Rückkehrerinnen müssen sich dann also überlegen: Was wäre sonst noch möglich? Vielleicht wäre eine Anwältin in einer Stiftung besser aufgehoben.

STANDARD: Was haben Frauen, die zu Ihnen kommen, gemeinsam?

Wilkens: Keine einzige bereut, dass sie sich für Kinder entschieden hat. Die Wünsche an den Job sind wiederum so unterschiedlich wie die Kundinnen selbst. Die eine möchte nach Jahren der Kinderbetreuung endlich wieder einen Job, bei dem sie glänzen kann. Eine andere will viel Geld verdienen, weil ein Hauskauf ansteht. Für sie ist es vielleicht auch okay, wenn ein Job nur ein Job ist und nicht ihre absolute Berufung.

STANDARD: Unter uns Journalisten heißt es oft, dass die erste Frage, die wir stellen, die wichtigste ist. Was ist denn die erste Frage, die Sie bei den Beratungen stellen?

Wilkens: Ich frage immer als Erstes: Welche Idee, die wir Ihnen vorschlagen, wäre denn richtiger Mist? Wenn die Frau antwortet: "In meinen alten Job zurückzugehen", bin ich alarmiert. Der Auftrag lautet also klar: Suchen Sie mir etwas anderes, und versöhnen Sie mich nicht mit meiner derzeitigen Arbeitssituation.

STANDARD: Eine andere Methode, die Sie anwenden, sind Gedankenexperimente à la: Was wäre denn bei mir möglich – und wie würde sich so eine verrückte Idee anfühlen?

Wilkens: Das hilft, um in sich hineinzuspüren. Ist man nach so einem Gedankenexperiment satt und denkt, dass alles passt, wie es ist? Oder wird man hungrig auf mehr? Diese Methode hilft auch herauszufinden, worauf die jeweilige Frau eigentlich Wert legt. Sagt sie, sie wäre gerne Bundeskanzlerin oder Supermodel, wissen alle Beteiligen im Raum, dass das wahrscheinlich nie so sein wird – aber man findet so heraus, was ihr wirklich wichtig ist. Die Person aus dem Beispiel braucht wahrscheinlich eine Bühne.

STANDARD: Warum entscheiden sich so viele Frauen, Teilzeit zurückzukehren? Weil es anders nicht machbar ist?

Wilkens: Ja, weil etwa die Eltern nicht vor Ort sind, kein gutes Betreuungsnetz vorhanden ist oder schlichtweg, weil sie Kinder haben, die ab 15 Uhr nicht mehr im Kindergarten sein wollen. Ich kenne das von meinen eigenen Kindern, die um drei oder vier wirklich fertig waren.

STANDARD: Teilzeit hat natürlich Folgen. Erst kürzlich zeigte wieder eine Studie: Selbst zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes liegt das Erwerbseinkommen von Frauen in Österreich im Schnitt um 51 Prozent unter dem Wert ein Jahr vor der Geburt. In Deutschland beträgt die Differenz gar 61 Prozent.

Wilkens: Das zeigt, dass viele die Kurve nicht kriegen. Wichtig ist, nach einer Zeit, wenn die Kinder größer sind, wieder Stunden aufzustocken. Die Möglichkeit, die Familie allein zu ernähren, sollten Frauen unbedingt immer im Auge behalten. Nicht nur für den Fall einer Scheidung – es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Bei mir war es etwa so, dass mein Mann, ein gut verdienender Arzt, plötzlich erkrankte. Ab dem Zeitpunkt war ich Alleinverdienerin. Da war es gut, dass ich mir seit Jahren beruflich etwas aufgebaut habe.

STANDARD: Sie schlagen in Ihrem Buch ein einkommensabhängiges Karenzgeld vor. In Österreich gibt es das schon, trotzdem lag der Männeranteil bei den Karenzen zuletzt nur bei rund vier Prozent. Sind die Hürden wirklich monetär? Sind es nicht auch die fehlende Unterstützung in den Betrieben, fehlende Role Models …

Wilkens: In vielen Regionen dreht sich das gerade. In Berlin zum Beispiel ist es regelrecht in. Das ist dort wie Veganer zu sein, Sport zu machen und Airbnb gut zu finden. In den ländlichen Gebieten kann ich mir hingegen vorstellen, dass das immer noch ein Identitätsbruch ist.

STANDARD: In Österreich wird derzeit ein verbindlicher Rechtsanspruch auf einen Papamonat diskutiert. Ist das nur eine nette Sache für die Familie oder auch eine echte Entlastung für die Mütter?

Wilkens: Ich weiß nicht, ob die Männer nach diesem Monat nicht denken: Das war eine gemütliche Zeit zusammen, und boah, die Kleine ist niedlich. Der Frust kommt dann ja tatsächlich erst, wenn man das ein halbes Jahr oder ein Jahr macht und schon wieder Brei kochen muss – und morgen auch und übermorgen. Ein Monat ist wie Urlaub. Man hat in dieser Zeit entweder den Wintergarten restauriert oder fährt nach Südfrankreich. Beim Wiedereinstieg hilft das den Frauen sicher nicht.

STANDARD: Was unterstützt beim Wiedereinstieg?

Wilkens: Zunächst natürlich gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten, auch in abgelegeneren Regionen. Frauen sollten sich eine Vollzeitstelle auch teilen können. Na, und wenn es schon einen verbindlichen Anspruch auf einen Monat Papazeit gibt: Warum nicht bis zum Alter von zehn Jahren den Vätern vier Wochen mehr Urlaub einräumen, die sie aber nur mit Attest des Kindes und tageweise, nämlich zur Krankenpflege, nehmen können? Das würde uns Mütter entlasten. (Lisa Breit, 8.3.2019)