Wien – Weibliche Becken sind im Vergleich zur Größe von Neugeborenen relativ schmal. Dadurch steigt das Risiko für Geburtskomplikationen. Dennoch wurde es im Laufe der Evolution nicht breiter. Der Grund dafür ist noch unklar. Forscher des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien haben nun eine gewagte These aufgestellt. So könnte ein schmales Becken mit starkem Beckenboden zur männlichen Erektion beitragen und so indirekt selektiv wirken.

Es gelte als wahrscheinlich, dass es einen Selektionsdruck gibt, der einer Erweiterung des Beckens entgegenwirkt, heißt es vonseiten der Wissenschafter. Die Ursachen dafür seien aber umstritten. Lange Zeit dachte man, der aufrechte Gang des Menschen erfordere ein schmales Becken, trägt es doch das Gewicht der inneren Organe besser. Empirische Belege dafür gebe es aber kaum, betonen die NHM-Forscher.

Einer alternativen Erklärung zufolge würde ein zu breites Becken den Beckenboden, der das Gewicht des Fötus und der inneren Organe trägt, anfällig für Inkontinenz und ein Organabsenken machen. Tatsächlich tritt dies vermehrt bei Frauen mit besonders breitem Becken auf. Im "American Journal of Human Biology" hat nun ein internationales Forscherteam, dem auch Nicole Grunstra und Frank Zachos von der Säugetiersammlung des NHM angehören, eine Erklärung vorgeschlagen, wie die Beckenbodenhypothese anhand vergleichender Beckenstudien bei Fledermäusen weiter untermauert werden könnte. "Fledermäuse bringen die relativ größten Neugeborenen aller Säugetiere zur Welt. Ihr Gewicht kann bis zu 45 Prozent desjenigen der Mutter betragen. Beim Menschen beträgt dieser Wert nur etwa fünf Prozent", so Grunstra.

Reproduktionsvorteil versus Beckenbreite

Bei den Fledermaus-Becken gibt es einen großen Unterschied zwischen den Geschlechtern: Jene der Männchen sind verknöchert, jene der Weibchen "ausnahmslos offen, was den Geburtskanal überhaupt erst groß genug macht, um so große Junge zu gebären", wie die Anthropologin erklärt. Offensichtlich geht das, weil Fledermäuse die einzigen fliegenden Säugetiere sind und die meisten von ihnen mit dem Kopf nach unten ruhen – beides verringert den Druck auf den Beckenboden.

Diese Entlastung könnte den Selektionsdruck in Richtung eines schmalen Becken aufgehoben haben. Diese Hypothese wollen die Wissenschafter nun mithilfe der umfangreichen Säugetiersammlung des NHM weiter untersuchen – denn die mehr als 1.000 Fledermausarten unterscheiden sich in ihrem Flug- und Ruheverhalten zum Teil erheblich. Sollte die Beckenbodenhypothese zutreffen, müssten etwa Weibchen von aufrecht in Spalten ruhenden Arten aufgrund der größeren Kräfte auf den Beckenboden weniger stark geöffnete Becken haben.

Für den Menschen schlagen die Wissenschafter eine ganz andere mögliche Erklärung vor: "Ein starker Beckenboden, der durch ein schmales Becken begünstigt wird, trägt eventuell zur männlichen Erektion bei, einem Merkmal von offensichtlicher Bedeutung für die Reproduktion – und somit auch zur evolutionären Fitness", so Zachos. Die Selektion für ein schmales Becken könnte also primär über das männliche Geschlecht wirken. So wurden immer breitere weibliche Becken indirekt verhindert, meinen die Forscher. (APA, 8.3.2019)