Stimmige Ideen: Dirigent Markus Poschner

Foto: Volker Weihbold

Als Ferruccio Busoni 1906 seinen kühnen Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst schrieb, schwebte ihm nichts weniger als die utopische Rundumerneuerung der Musik vor. Was er zwei Jahre zuvor in seinem Konzert für Klavier und Orchester in C-Dur mit Männerchor op. 39 versucht hatte, war ebenfalls ein Stück weit Utopie. Das an die 80 Minuten dauernde Werk sprengte mehrere bis dahin gewohnte Dimensionen.

Neben der zeitlichen Ausdehnung amalgamiert es die Gattung Konzert mit der großen Symphonie, der "unsichtbare" Chor weist in Richtung Gesamtkunstwerk. Stilistisch ist das Konzert ein Konglomerat von Anklängen an Franz Liszt (und dies ganz bewusst), den großen romantischen Ton eines Johannes Brahms, auch pianistische Vollgriffigkeit à la Tschaikowsky. Aber auch italienische Virtuosität wie bei Rossini wird evident – vielleicht nicht alles davon mit voller Absicht.

Herkulische Aufgabe

Es ist denn auch eine herkulische Aufgabe für den Solisten Marc-André Hamelin: Er, der das Konzert auch schon vor fast 20 Jahren auf CD aufgenommen hat (Hyperion), bewältigt das Werk im Goldenen Saal des Musikvereins fantastisch, auch wenn das Bewältigen zu merken war.

Ungerührt hämmert er die Akkordballungen und irrwitzigen Kaskaden, während das Bruckner Orchester Linz ein orchestrales Kompendium von einem knappen Jahrhundert Kompositionsgeschichte ablaufen ließ. Es war eine großartige Leistung aller Beteiligten, doch kaum geeignet, ältere Befunde über das Stück zu revidieren, die es als unausgewogen und inkonsequent zwischen dem Versuch der Erneuerung und dem Schöpfen aus Althergebrachtem gesehen haben.

Zum Pathos stehen

Auf welchem Niveau das Linzer Brucknerorchester unter der Leitung von Dirigent Markus Poschner heute agiert, zeigte sich dann bei der vierten Symphonie von Johannes Brahms: Was Poschner vorgibt, ist einfach stimmig. Flexible, fließende Tempi sind da zu erleben, auch runde Phrasierungen, an Sachlichkeit grenzende Transparenz, ohne Brahms’ Pathos zu leugnen.

Das Orchester folgte seinem Chefdirigenten (bei gegenüber Big Playern noch ausbaufähiger klanglicher Homogenität) famos. Der Programmfolder des frischgebackenen künstlerischen Direktors des BOL bezog sich auf Busonis Skepsis gegenüber Routine. Vom Orchester war diese nur im guten Sinn zu erleben: lebendiges Musizieren auf hohem Niveau ohne Langeweile-Alarm. (daen, 7.3.2019)