IS-Kämpfern aus Österreich kann der Pass nur dann von den Behörden abgenommen werden, wenn sie legale Doppelstaatsbürger sind – und sie damit nicht staatenlos werden.

Illustration: Heidi Seywald / Otto Beigelbeck

Wien – Der von kurdischen Soldaten in Syrien festgenommene mutmaßliche IS-Kämpfer soll die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren. Das ist die Forderung des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ). Er hat die Magistratsabteilung 35 (Einwanderung und Staatsbürgerschaft) angewiesen, den Fall des 27-jährigen Wieners mit türkischen Wurzeln zu prüfen. Laut Auskunft aus dem Büro des zuständigen Stadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ) besitzt der Mann eine österreichisch-türkische Doppelstaatsbürgerschaft.

Die MA 35 hat bereits ein Entziehungsverfahren eingeleitet. Das ist möglich, weil der Betroffene legal eine Doppelstaatsbürgerschaft besitzt, wie es auf Anfrage des STANDARD heißt. Er würde also nicht staatenlos werden.

Die Causa ist kein Einzelfall: Am Donnerstag sagte Ludwig, dass Wien bereits Anfang 2018 einem mutmaßlichen Jihadisten die Staatsbürgerschaft entzogen hat. Auch in diesem Fall handelte es sich um einen Doppelstaatsbürger mit österreichischem und türkischem Pass. Das Verfahren ist bereits rechtskräftig abgeschlossen. Der Mann saß in einem österreichischen Gefängnis, der Bescheid zur Aberkennung konnte ihm zugestellt werden. Und: Es lag beim Doppelstaatsbürger ein Verurteilungsgrund vor, der eine Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft ermöglichte.

Längere Verfahrensdauer

Im aktuellen Fall müssen sich die Behörden auf eine längere Verfahrensdauer einstellen. Einerseits ist der Aufenthaltsort des mutmaßlichen IS-Mitglieds noch unbekannt. Andererseits muss geklärt werden, ob der Wiener "freiwillig für eine organisierte bewaffnete Gruppe aktiv an Kampfhandlungen im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konflikts" teilgenommen hat – was einen Grund für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft darstellt.

"Wir sind auf die Kooperation mit dem BVT angewiesen", sagte Werner Sedlak, Leiter der MA 35. Die Behörde habe das BVT bereits um Stellungnahme ersucht.

Parallel dazu werden auch bei den Strafgerichten Informationen erbeten. Bei Bestätigung der Verdachtslage kann die Zustellung der Aberkennung erfolgen. Sollte es der Behörde nicht möglich sein, den Aufenthaltsort ausfindig zu machen, wird über das Gericht ein Abwesenheitskurator ernannt. Diesem Anwalt werden die Schriftstücke in Abwesenheit des Adressaten zugestellt, was rechtlich gesehen einer realen Zustellung gleichgesetzt ist.

Ludwig: "Der Bund ist gefordert"

Wien sei laut Sedlak aufgrund der Medienberichte aktiv geworden. Mit der Einleitung des Verfahrens wolle Wien ein "deutliches Zeichen" setzen, sagte Ludwig am Donnerstag. Er richtete Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) aus, rasch eine Lösung für zurückkehrende IS-Kämpfer zu finden. "Der Bund ist gefordert, hier eine generelle Entscheidung zu treffen. Aber wir warten nicht."

Neben den bekannten beiden Personen gibt es laut Sedlak "derzeit keine weiteren Fälle", wo mutmaßlichen IS-Terroristen mit legaler Doppelstaatsbürgerschaft die Aberkennung droht.

Beide Fälle haben laut Sedlak nichts mit der von der FPÖ verbreiteten Namensliste von Austrotürken mit mutmaßlich illegaler österreichisch-türkischer Doppelstaatsbürgerschaft zu tun. Nachdem der Verfassungsgerichtshof festgestellt hatte, dass die FPÖ-Liste kein taugliches Beweismittel für eine illegale Doppelstaatsbürgerschaft darstellt, hat Wien tausende offene Verfahren, die auf dieser Liste beruhten, eingestellt. 18 bereits ausgebürgerte Personen erhielten ihren österreichischen Pass wieder zurück.

94 IS-Rückkehrer bis Ende 2017

Laut Verfassungsschutzbericht 2017 sind dem BVT 313 Personen aus Österreich bekannt, "die sich aktiv am Jihad in Syrien und dem Irak beteiligen oder beteiligen wollten". Vermutlich sollen 55 Personen in der Region ums Leben gekommen sein, 94 kehrten bis Ende 2017 wieder nach Österreich zurück. Weitere 59 Personen, die an der Ausreise gehindert werden konnten, halten sich laut BVT weiter im Bundesgebiet auf. (David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, 7.3.2019)