Die türkis-blaue Bundesregierung hält an ihren Plänen für eine Sicherungshaft fest. Der Widerstand gegen das Vorhaben wächst.

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Frage: Die Regierung will eine sogenannte Sicherungshaft einführen. Was ist damit eigentlich gemeint?

Antwort: ÖVP und FPÖ möchten gefährliche Asylwerber einsperren, auch wenn sie nichts verbrochen haben. Anlass ist ein Fall in Dornbirn, wo ein mehrfach vorbestrafter und illegal eingereister Asylwerber einen Beamten tödlich verletzt haben soll. Wie die präventive Sicherungshaft genau ausgestaltet sein könnte, ist derzeit allerdings noch mehr als vage. Fix ist nur der Wille der Regierung, dass das Bundesasylamt einen Antragssteller festnehmen lassen kann – von ihm muss nach Ansicht der Beamten eine "Gefahr für die öffentliche Ordnung und nationale Sicherheit" ausgehen. Binnen 48 Stunden soll die Inhaftierung dann von einem Richter überprüft werden.

Frage: Wie lange sollen betroffene Asylwerber ins Gefängnis?

Antwort: In der Punktation des Innenministeriums ist von einer Maximalfrist von sechs Monaten die Rede. Zusatz: "längere Dauer nur bei besonderen Gründen".

Frage: Wann gilt jemand als Bedrohung für die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung?

Antwort: Hier braucht es jedenfalls eine klarere Definition, sind sich Rechtsexperten einig. Dafür könnten Delikte aufgezählt werden – "oder man kann versuchen, die Begriffe so zu definieren, dass es nicht zu Pauschalermächtigungen kommt", sagt etwa Verfassungsjurist Theo Öhlinger. Die Regierung versucht allem Anschein nach Letzteres. Eine Liste mit konkreten Delikten macht für das Innenministerium keinen Sinn, weil "in jedem Fall eine umfassende Einzelfallprüfung zu erfolgen" habe.

Frage: Wie soll die Sicherungshaft im österreichischen Rechtssystem verankert werden?

Antwort: Die Regierung muss dafür jedenfalls die österreichische Verfassung abändern, die bezüglich präventiver Inhaftierung derzeit strenger ist als die Europäische Menschenrechtskonvention. Dafür braucht sie unbedingt SPÖ oder Neos für eine Zweidrittelmehrheit. Am Mittwoch stellte das Justizministerium klar, dass die geplante Neuregelung in jenen Passus eingebaut werden soll, der die verfassungsrechtliche Grundlage für die Schubhaft enthält. Dadurch sei sichergestellt, dass eine Sicherungshaft nie auf andere Personengruppen als Asylwerber ausgedehnt werden könne, heißt es seitens des Justizressorts. Experten ziehen das allerdings in Zweifel. Die Frage sei, ob Österreich überhaupt ausschließlich Asylwerber mit der Sicherungshaft bedrohen darf. "Es kann theoretisch jeder die nationale Sicherheit gefährden. Das müsste für alle gelten, damit es nicht menschenrechtswidrig ist", sagt der Verfassungsjurist Heinz Mayer.

Frage: Anlass für das Vorhaben der Regierung war der Mord an einem Beamten in Dornbirn, mutmaßlich begangen von einem türkischen Asylwerber. Haben hier die Behörden versagt, wie die Opposition behauptet?

Antwort: Der Mann war mit einem Aufenthaltsverbot belegt, wegen Gewaltdelikten verurteilt: Neos und SPÖ finden, unter diesen Voraussetzungen hätten die bestehenden Gesetze gereicht, um ihn einzusperren. Beide wollen den Fall Dornbirn aufgeklärt wissen, bevor Gespräche mit der Regierung stattfinden könnten. Die Koalition lädt SPÖ und Neos für kommenden Donnerstag zu einem Treffen – die Opposition will aber nur über einen konkreten Gesetzesentwurf reden, den es derzeit nicht gibt.

Frage: Was sagen Juristen dazu?

Antwort: Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk glaubt: "So wie es jetzt aussieht, gab es tatsächlich keine rechtliche Möglichkeit", um den Asylwerber zu inhaftieren. Kollege Theo Öhlinger will hingegen nicht ausschließen, ob nicht die Verhängung einer Untersuchungshaft möglich gewesen wäre. Mayer ist überzeugt, dass es gegangen wäre. Richtervereinigungspräsidentin Sabine Matejka plädiert dafür, die von der Regierung behauptete Sicherheitslücke erst zu untersuchen. Sie fürchtet, dass die Regelung "für weitere einfachgesetzliche Eingriffe in Freiheitsrechte" genutzt werden könne. Auch der Präsident des Rechtsanwaltskammertags, Rupert Wolff, warnt: "Das ist brandgefährlich."

Frage: Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ist für die Erstellung der Gefährderprofile zuständig. Sind Mitarbeiter dafür geschult?

Antwort: Alle Asylanträge werden im BFA von sogenannten Caseownern bearbeitet. Sie müssen keine juristischen Vorkenntnisse oder eine spezielle Ausbildung in Asyl- und Menschenrechtsfragen nachweisen. Das Personal wurde nach der Flüchtlingskrise 2015 massiv aufgestockt, um den Anstieg der Asylanträge besser bewältigen zu können. Damals wurden vor allem Verwaltungspraktikanten angeworben, ihre höchste Ausbildung ist die Matura. Aus dem BFA hieß es dazu, dass die Mitarbeiter im Haus eine viermonatige Grundausbildung absolvieren müssen.

Frage: In welchen Ländern gibt es bereits eine Sicherungshaft?

Antwort: Laut EU-Kommission gab es im April 2018 in zwölf Mitgliedstaaten Regelungen, um Asylwerber "aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung" zu inhaftieren. Je nach Land wurde jene EU-Aufnahmerichtlinie, auf die sich auch die österreichische Bundesregierung bezieht, jedoch ganz unterschiedlich umgesetzt. In Zypern, Tschechien und Luxemburg wurde sie bloß wortwörtlich in nationales Recht übernommen. Die Slowakei wiederum leitete aus dem Passus die Möglichkeit ab, dass einfache Fremdenpolizisten gefährliche Asylwerber in Haft nehmen können. Auch die Niederlande haben ihre Variante der Sicherungshaft umgesetzt. Diese wurde auch schon vom Europäischen Gerichtshof für rechtmäßig erklärt. Menschenrechtsexperte Manfred Nowak relativiert: Die dort Betroffenen hätten bereits vorher Verbrechen begangen.

Frage: Auch in Österreich wurde die EU-Richtlinie bereits 2018 ins Fremdenpolizeigesetz übernommen. Reicht das nicht, um gefährliche Asylwerber zu inhaftieren?

Antwort: Die Neos finden: Ja. Nowak stützt diese Rechtsmeinung. Um solchen Asylwerbern habhaft zu werden, müsse die Regelung nur präziser angewandt werden.

Frage: Gibt es in Staaten mit Sicherheitshaft Zweifel an deren Grundrechtsentsprechung?

Antwort: Laut Nowak durchaus. In Frankreich zum Beispiel säßen derzeit 275 Minderjährige in präventiver Administrationshaft. Meist handle es sich um IS-Sympathisanten oder zurückgekehrte Kämpfer aus Syrien, doch vielen von ihnen würden keine Gesetzesverstöße vorgeworfen. Erst Mittwoch dieser Woche habe der UN-Menschenrechtsrat gegen diese Inhaftierungen Kritik erhoben. (Irene Brickner, Marie-Theres Egyed, Katharina Mittelstaedt, Karin Riss, 7.3.2019)