Als ich vier Jahre alt war, erhielt ich meinen ersten Stempel", erzählt die Juristin Julia Moser am Donnerstag bei einer Pressekonferenz des Österreichischen Behindertenrats. Mit vier bekam sie die Diagnose Schwerhörigkeit und die Prognose, dass sie nicht sprechen würde.

Julia Moser erzählte aus ihrem eigenen Leben und den falsch gelegenen Prognosen über ihren Werdegang mit Usher-Syndrom.
Foto: Lukas Ilgner

"Ich hatte Glück", sagt Moser, denn ihre Eltern setzten durch, dass sie in dieselbe Schule wie die Geschwister gehen konnte, dann in ein Gymnasium, wo sie "mit 13 den zweiten Stempel bekam": die Diagnose Usher-Syndrom, eine Hörsehbehinderung mit dem sukzessiven Verlust des Sichtfeldes. Wieder bekam Moser auch eine Prognose: "Man sagte mir, ich werde keinen Job haben und keine Familie." Durch ein unterstützendes Umfeld studierte Moser in England und Wien. Sie ist Expertin bei der sozialen Unternehmensberatung My Ability und Vorsitzende des Forums für Usher-Syndrom.

Gegen Unsichtbarkeit: Gabriele Sprengseis und Christine Steger.
Lukas Ilgner

Sie habe jahrelang versucht, ihre fortschreitende Erkrankung zu verstecken, erkannte aber: "Wenn ich sie weiter verstecke, trage ich dazu bei, dass ich mich selbst isoliere." Moser thematisierte mit vier weiteren Expertinnen mit Behinderung und der Geschäftsführerin des Österreichischen Behindertenrats, Gabriele Sprengseis, "die Unsichtbarkeit von Frauen mit Behinderungen". Diese sind zudem weit häufiger von psychischer, physischer und sexueller Gewalt bedroht und öfter arbeitslos und armutsgefährdet, oft trotz mehrerer abgeschlossener Studien.

Persönliche Assistenz

Beate Koch, Betriebswirtin und Frauenreferentin des ÖZIV Steiermark, erzählte, wie sie bei einer Bewerbung als Einzige den Test mit 100 Prozent abschloss, aber ein Mann ohne Behinderung den Job bekam. Christine Steger, Vorsitzende des unabhängiges Monitoringausschusses hatte eine "Leben ohne Behinderung und dann eines mit". Sie hat seit einem Unfall eine Beinprothese. "Plötzlich waren Dinge, die selbstverständlich waren, nicht mehr für mich vorgesehen." Steger pocht auf das Recht aller Frauen auf "Sexualität und ihren Kinderwunsch". Es brauche mehr sexualpädagogische Konzepte und Peer-Beratung, nicht nur die "Willenserklärung zur UN-Konvention".

Die Teilnehmerinnen der Pressekonferenz des Österreichischen Behindertenrates, vorne v.l.n.r.: Beate Koch, Jasna Puskaric, hinten v.l.n.r.: Julia Moser, Christine Steger, Isabell Naronig, Gabriele Sprengseis.
Foto: Lukas Ilgner

Jasna Puskaric, Vorständin der WAG Assistenzgenossenschaft, und Isabell Naronnig von der Peer-Beratung Zeitlupe unterstrichen die Wichtigkeit der persönlichen Assistenz für den selbstbestimmten Alltag. Viele Frauen könnten etwa nur durch persönliche Assistentinnen "mit Öffis in die Uni oder mit den Kindern ins Museum", ohne von der Ursprungsfamilie oder dem Partner abhängig zu sein. Daher fordere man eine bundesweit abgesicherte persönliche Assistenz für alle.

Auch bei Podiumsdiskussionen will man Expertinnen mit Behinderung öfter sehen: Eine Liste mit 26 Frauen ist auf der Website des Behindertenrates abrufbar. (Colette M. Schmidt, 8.3.2019)