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Offenbar sind immer mehr Junge nicht mehr gewillt, sich die Erde von den dümmsten und rücksichtslosesten Figuren dieses Säkulums ruinieren zu lassen, wovon die Schülerinitiative Fridays for Future zeugt.

Foto: Reuters / Charles Platiau

Ich sollte diese Kolumne in Enkelinnenkolumne umbenennen. Zum zweiten Mal binnen drei Monaten darf ich die Geburt einer Enkelin vermelden; nach Livia (zwei Jahre) und Léa (zwei Monate) ist es die bezaubernde Leni, welche uns mit ihrer Präsenz in dieser Welt beehrt.

Herzlich willkommen! Eines der ersten Fotos zeigt sie, wie sie, in einem Gitterbettchen liegend, von ihrer Schwester betrachtet wird. Der Eindruck einer Zoobesucherin, die ein neu eingelangtes Tier mit einer Gefühlsmischung aus Ehrfurcht, Begeisterung und Skepsis in Augenschein nimmt, ist nicht von der Hand zu weisen.

Enkelinnen (und natürlich Enkel) provozieren weit in die Zukunft reichende Fantasien. Jonas, der im Jahr 2000 25 Jahre alt sein wird heißt ein Film des Schweizer Regisseurs Alain Tanner aus dem Jahr 1976. Ich denke über das Jahr 2050 nach, in dem Livia 33, Léa 32 und Lena 31 Jahre alt sein werden. Ich wäre dann 95. Da die durchschnittliche Lebenserwartung in meiner Familie darunter liegt, werde ich vermutlich eher gemütlich in meinem Grab oder meiner Urne vor mich hinverrotten.

Wie wird die Welt 2050 sein? Eine lebenswerte Welt? Oder ein überhitztes Dreckloch mit abgeschmolzenen Polkappen, einer Artenvielfalt, die den Namen Vielfalt nicht verdient, sehr, sehr vielen 24-spurigen Autobahnen und Millionen Menschen, die den Globus nach den letzten bewohnbaren Flecken absuchen? Die Vorstellung deprimiert mich und bringt mich in Rage.

Wutopa, der ich bin, werde ich weiter den französischen Soziologen Bruno Latour lesen, ein älterer Herr mit Enkeln auch er. Latour geht nach der Lektüre unzähliger Studien davon aus, dass die Erderwärmung mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit menschengemacht ist. Und dass uns der Status quo der Ökologie schon lange alle wahnsinnig gemacht hat. Die, die die evidenten Zusammenhänge leugnen. Die, die sie verdrängen. Und die Wahnsinnigsten von allen: die, die glauben, man könnte noch etwas gegen die globale Katastrophe tun. Zu diesen Wahnsinnigsten möchte ich gehören.

Mit Freude habe ich die Existenz der Schülerinitiative Fridays for Future wahrgenommen. Offenbar sind immer mehr Junge nicht mehr gewillt, sich die Erde von den dümmsten und rücksichtslosesten Figuren dieses Säkulums ruinieren zu lassen. Ich finde das enorm ermutigend. (Christoph Winder, 10.3.2019)