Der Trend zum schwarz-gelben Insekt ist längst auch in Österreich zu beobachten.

Foto: Michael Simoner

Die Trendfarben der Saison – und das schmerzt Fans des FC Bayern München natürlich ein bisschen – sind Schwarz und Gelb. Doch dies ist keine Reminiszenz an den Bundesliga-Konkurrenten Borussia Dortmund, sondern an ein kleines Tier: die Biene.

Vor kurzem ist im Freistaat das erfolgreichste Plebiszit aller Zeiten zu Ende gegangen. Rund 1,75 Millionen Menschen – das sind 18,4 Prozent der Wahlberechtigten – haben das Volksbegehren Artenvielfalt unterschrieben. Bekannter ist es unter dem Motto "Rettet die Bienen!".

Nun sitzen die Initiatoren und Vertreter der Landesregierung, die von CSU und Freien Wählern gebildet wird, am runden Tisch zusammen und beraten, wie ein neues, strengeres Naturschutzgesetz aussehen könnte. Dabei geht es nicht nur um die Bienen, sondern auch um andere Insekten und deren Schutz vor zu viel Düngemittel sowie um mehr Biotope.

Geschicktes Marketing

Die Regierung ist in der Zwickmühle, denn ihr machen auf der anderen Seite die Bauern Druck. Und nicht nur in der CSU fragt man sich: Wie konnte dieses Volksbegehren derart erfolgreich werden?

Der Politologe Michael Böcher, der sich an der Uni Magdeburg mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung befasst, sieht zunächst ein sehr geschicktes Marketing: "Man hat eine sehr komplexe Materie auf die Biene als Sympathieträgerin verdichtet." Hätte die Forderung "Rettet die punktierte Zartschrecke" gelautet, wäre der Erfolg wohl ausgeblieben. Die niedliche "Biene Maja" hingegen kennt jeder.

Doch Böcher nennt noch einen weiteren Grund für den Erfolg: "Das Volksbegehren fällt in eine Zeit, in der die Menschen sich wieder stärker für Umweltpolitik interessieren. Für viele ist es nicht mehr bloß ein abstraktes Bekenntnis, sie engagieren sich persönlich, um das Thema auf die Agenda zu bringen und der Politik Druck zu machen." In Umfragen zeigt sich immer wieder, dass Umwelt- und Klimaschutz für viele Deutsche zu den zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen gehört.

Honig in Bobo-Läden

Der Trend zum schwarz-gelben Insekt ist längst auch in Österreich zu beobachten. In den letzten Jahren hat sich ein regelrechter Bienenboom breitgemacht. In Bobo-Geschäften und auf Märkten wird naturbelassener Honig verkauft, Hotels und Museen haben Bienenstöcke auf ihren Dächern stehen, und Imkereikurse sind überbelegt.

Albert Schittenhelm, Präsident des Landesverbands für Bienenzucht in Wien und Leiter der örtlichen Imkerschule, sagt: "Das Interesse hält seit zehn Jahren an, und wir haben noch keinen Einbruch gespürt." Sowohl Anfänger- als auch Facharbeiterkurse seien völlig ausgebucht.

Nicht nur der Einsatz von Agrargiften sei ein Motiv für den Kursbesuch. Auch der Klimawandel trage seinen Teil dazu bei, dass die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung auf den Artenschutz gerichtet sei. In den Anfängerkursen lernen Interessierte die Basics, etwa Voraussetzungen für Bienenhaltung oder gesetzliche Rahmenbedingungen. Rund die Hälfte der 40 Unterrichtseinheiten ist praxisbezogen. Auch immer mehr Frauen interessieren sich fürs Imkern. Beim letzten Anfängerkurs betrug der weibliche Anteil 45 Prozent.

Mit Zahlen ist der Trend zu einem größeren Umweltbewusstsein jedoch schwer zu belegen. "Im Vergleich zu anderen Themen wird die Umweltfrage von den Österreichern als weniger wichtig eingeschätzt", sagt Politologin Andrea Tony Hermann von der Universität Graz.

Laut Eurobarometer-Studie vom März 2018 geben lediglich neun Prozent der Befragten in Österreich an, dass Umwelt, Klima und Energie zu den zwei wichtigsten Herausforderungen für Österreich zählen. Zum Vergleich: Die Themen Einwanderung, Gesundheit oder Bildung werden von rund 20 Prozent als zentrale Herausforderungen benannt.

Medienwirksame Initiativen wie die Schülerdemos für den Klimaschutz können zu einer erhöhten Sensibilisierung der Bevölkerung führen. Durch die intensive Medienberichterstattung über die Demonstrationen werde Aufmerksamkeit geschaffen, sagt Hermann.

Ob ein Volksbegehren wie in Bayern auch in Österreich Erfolg haben könnte, lasse sich schwer vorhersagen. "Kampagnen stehen und fallen mit dem Thema", sagt Florian Perlot, ebenfalls Uni Graz. Emotionalisiert bzw. polarisiert es und ist idealerweise eine persönliche Betroffenheit vermittelbar, sind die Erfolgschancen höher als bei abstrakten oder zu umfassenden Anliegen. Dazu kommt eine mediengerechte Kommunikation, es braucht eine klare Botschaft.

Von Konflikten profitieren

Kampagnen können von Konflikten profitieren. Beim – sehr erfolgreichen – Antirauchenvolksbegehren war das etwa der Fall. Eine neue, stark polarisierende Regierung war von einem bereits beschlossenen Verbot abgegangen – das emotionalisiert, sagt Perlot.

Auch in Bayern gab und gibt es Konflikte. So monierte der Bayerische Bauernverband, dass bei der Kampagne mit falschen Zahlen operiert werde. Diese Auseinandersetzung sei das große Unterscheidungsmerkmal der deutschen Initiative zum Tierschutzvolksbegehren, das jüngst in Österreich präsentiert wurde. "Wir sehen uns als Verbündete der Landwirte", sagt Geschäftsführer Sebastian Bohrn Mena.

Neben einer tiergerechten und zukunftsfähigen Landwirtschaft liegt der Fokus auf einer erhöhten Transparenz für Konsumenten. Das Tierschutzvolksbegehren hat einen breiteren Ansatz als jenes in Bayern, wo es in erster Linie um den Insektenschutz geht. "Die Biene wird auch eine Rolle spielen", versichert Bohrn Mena. Leittier in Österreich ist freilich das Schwein. Im Mai wird mit dem Sammeln der Unterstützungserklärungen begonnen. Die tatsächliche Eintragungswoche wird für 2020 angepeilt.

Unterschreiben für den Artenschutz und die Rettung der Bienen kann man seit kurzem auch in Oberösterreich. Landesrat Rudi Anschober initiierte eine Online-Petition und hofft auf Rückenwind aus Bayern.

Die Schöpfung bewahren

Dass auch die Deutschen sich wieder verstärkt für Umweltfragen interessieren, wundert den Politologen Böcher nicht: "Umweltthemen führen wieder stärker zu Polarisierung und Konflikten, was zu ihrer stärkeren öffentlichen Wahrnehmung beiträgt." So konnten die Bürger wochenlang verfolgen, wie sich im Hambacher Forst Aktivisten gegen die Rodung alter Bäume zugunsten eines Braunkohlereviers wehrten.

Und die Diskussion um manipulierte Dieselwerte lässt seit Jahren nicht nach. Böcher: "Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie von der Politik vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Das führt zu Mobilisierung." In Bayern geht dies bis in CSU-Schichten. Denn: "Für Konservative hat Naturschutz auch mit dem Wunsch zu tun, die Schöpfung zu bewahren." Aus seiner Sicht sind die stärkere Polarisierung und das Engagement begrüßenswert. Nur so könne man die Politik zu Änderungen zwingen.

Allerdings warnt er vor der Unversöhnlichkeit der verschiedenen Lager, die man auch in Bayern beobachten konnte. Die Bauern fühlen sich als Sündenböcke und begegnen den "Naturschützern" vielfach mit Unverständnis. Umgekehrt ist es genauso.

Schon wird gelästert, dass viele derer, die das Volksbegehren für mehr Artenschutz unterschrieben haben, in der Stadt oder am Stadtrand leben und eben gern am Wochenende mit dem SUV aufs Land zu den blühenden Wiesen fahren wollen, weil der eigene Vorgarten zubetoniert und penibel von "Unkraut" befreit ist. Böcher: "Letztendlich muss man auch beim Umweltschutz alle Interessen und Beteiligten an einem Tisch zusammenbringen." (Birgit Baumann, Rosa Winkler-Hermaden, 9.3.2019)