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Vor der saudischen Botschaft in Paris wurde am Frauentag für die Freilassung der Aktivistinnen Loujain Hathloul, Aziza al-Yousef und Eman al-Nafjan demonstriert.

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Die Journalistin und iranisch-britische Doppelstaatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe ist seit April 2016 im Iran inhaftiert.

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Ein Archivfoto von Nasrin Sotoudeh aus dem Jahr 2008. Die Anwältin hatte unter anderem Frauen unterstützt, die gegen die Kopftuchpflicht verstoßen hatten.

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DER STANDARD

Omar al-Bashir, der sudanesische Präsident, dem 30 Jahre an der Macht nicht genug sind, hat am Frauentag die Freilassung aller bei den Protesten seit Mitte Dezember verhafteten Demonstrantinnen angeordnet. Der Verdacht lag nahe, dass das nicht mehr als ein PR-Gag ist: Und prompt wurden einen Tag später neun Frauen wegen ihrer Teilnahme zu 20 Peitschenhieben und einem Monat im Gefängnis verurteilt; allerdings gehen die Anwälte, die diese Nachricht auch in die Öffentlichkeit getragen haben, in Berufung. Frauen spielen bei den Demonstrationen gegen das Regime eine große Rolle, wie ja auch in Algerien, wo eine 5. Amtszeit von Abdelaziz Bouteflika verhindert werden soll.

Für Frauen in Saudi-Arabien muss allein schon der Gedanke, auf der Straße gegen denjenigen zu demonstrieren, der gerade oben sitzt, abenteuerlich sein. In Schwierigkeiten kommt man für viel weniger. Gegen die vergangenes Jahr verhafteten Aktivistinnen Loujain Hathloul, Aziza al-Yousef, Eman al-Nafjan, Nouf Abdelaziz, Mayaa al-Zahrani, Samar Badawi, Nassima al-Saada, Hatoon al-Fassi, Shadan al-Onezi, Amal al-Harbi und ihre männlichen Unterstützer sind nun die Anklageschriften fertig. Allerdings gibt es auch das Gerücht, dass sie nach einer Verurteilung begnadigt werden könnten, um die Imageprobleme, die Saudi-Arabien nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi bereits hat, nicht weiter zu vergrößern. Pardon anstelle von Gerechtigkeit.

Nasrin Sotoudeh und Nazanin Zaghari-Ratcliffe

Was den zweiten Staat der Region betrifft, der von sich behauptet, den Willen Allahs auf Erden zu implementieren, dem Iran, wurde in den vergangenen Tagen an zwei prominente Fälle von inhaftierten Frauen erinnert: Nazanin Zaghari-Ratcliffe und Nasrin Sotoudeh. Anders als in Saudi-Arabien hat nur eine von ihnen explizit mit feministischen Anliegen zu tun, und auch das nicht ausschließlich. Aber zuletzt hatte Sotoudeh, eine 55-jährige Anwältin, Frauen unterstützt, die gegen die Kopftuchpflicht verstoßen hatten.

Die Sacharow-Preisträgerin von 2012 wurde bereits 2010 zu einer langen Haftstrafe verurteilt, aber 2013 – dem ersten Jahr der Präsidentschaft von Hassan Rohani – überraschend freigelassen. Vorigen Juni wurde sie wieder verhaftet. Nun hat ihr Mann bekanntgegeben, dass Sotoudeh in einem geheimen Prozess schuldig gesprochen wurde, und zwar für Delikte, die mit der Staatssicherheit zu tun haben: Das Strafausmaß ist noch unbekannt, aber Menschenrechtsgruppen befürchten, dass es sich angesichts der Anklagepunkte um eine sehr lange Haftstrafe handeln wird.

Unterstützung aus Paris und London

Kurz nach Bekanntwerden dieser Nachricht bekam Reza Khandan, der Mann Sotoudehs, Post vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er hat Sotoudeh in eine Kommission eingeladen, der die G7-Staaten zu Fragen der Gleichberechtigung beraten soll (G7 Gender Equality Advisory Council). Auch das iranische Außenministerium und die Rechtsanwaltskammer wurden von der Ernennung in Kenntnis gesetzt. Ob die sich davon beeindrucken lassen, ist fraglich, aber immerhin, Macron setzt ein Zeichen.

Das tut auch Großbritannien im Fall von Nazanin Zaghari-Ratcliffe: Die Journalistin und iranisch-britische Doppelstaatsbürgerin, die seit April 2016 im Iran inhaftiert ist, wurde unter diplomatischen Schutz gestellt: Damit ist ihr Schicksal vom Konsularfall zum Disput auf staatlicher Ebene angehoben. Allerdings weigert sich Teheran, das zu akzeptieren: Der Iran erkenne keine Doppelstaatsbürgerschaften an, für die iranischen Behörden sei Zaghari-Ratcliffe deshalb allein iranische Staatsbürgerin, für die Großbritannien gar nicht zuständig sei, sagte der iranische Botschafter in London, Hamid Baeidinejad. Die Anschuldigungen gegen die 40-Jährige sind sehr diffus, sie wurde im September 2015 wegen Beteiligung an einer Verschwörung zum Umsturz verhaftet. Sie hat ein mittlerweile vier Jahre altes Kind.

Narges Mohammadi

Wie auch andere Frauen in iranischer Haft klagt sie über schlechte Behandlung und Mangel an medizinischer Versorgung. Einen entsprechenden Beschwerdebrief an den Staatsanwalt hat Zaghari-Ratcliffe mit einem anderen prominenten weiblichen Häftling, der Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi, geschrieben. Auch sie hat den Sacharow-Preis für geistige Freiheit vom Europäischen Parlament erhalten, im Jahr 2018. Die 46-Jährige hat die letzten zwanzig Jahre im Ringen mit den iranischen Behörden verbracht: 2016 wurde sie zu 16 Jahren Haft verurteilt. Man fragt sich, woher diese Menschen die Kraft nehmen.

Ermutigend ist, dass in beiden Ländern, in Saudi-Arabien und im Iran, Frauen nun auch in der Öffentlichkeit ihre Aufmüpfigkeit gegen das System zeigen. Twitter ist voll von Filmchen, auf denen kopftuchlose iranische Frauen mit Mullahs – leider auch manchmal mit anderen, verhüllten Frauen – streiten, die sie zurechtweisen. Oft ergreifen dann die Umstehenden Partei für die Frau.

Der Religionspolizei den Marsch blasen

Auch in Saudi-Arabien gibt es zaghafte Versuche des Ungehorsams gegen die vom Klerus verordnete Sittsamkeit. Im Herbst posteten Frauen Fotos von sich, auf denen sie ihre Abaya – das lange schwarze Gewand – verkehrt, mit der Innenseite nach außen, tragen.

Müssen sie befürchten, wegen jeder kritischen politischen Äußerung eingesperrt zu werden, haben die Frauen in Sachen gesellschaftliche Liberalisierung ja den Kronprinzen, Mohammed bin Salman, hinter sich. Das heißt, Frauen, die sich nicht mehr von oben bis unten schwarz verhüllen müssen, können sich auf ihn – die staatliche Autorität – berufen. Und das tun sie: Ein herrliches Dokument ist das Video, auf dem eine Frau der Religionspolizei, die sie zurechtweist und sogar aus der Shopping-Mall werfen will, den Marsch bläst. Am Schluss hetzt sie der Religionspolizei auch noch die Polizei auf den Hals. Herzerwärmend!

(Gudrun Harrer, 10.3.2019)