Der Metzleinstaler Hof im Bezirk Margareten gilt als allererster Wiener Gemeindebau. Der erste Bauteil wurde 1920 fertiggestellt.

Foto: Robert Newald

"Kompakt geschnittene Wohneinheit in Gemeindebau aus der Zwischenkriegszeit privat zu vermieten. Zwei Zimmer, 60 Quadratmeter, 850 Euro." – Geht es nach der Wiener ÖVP, könnte ein solches Inserat bald (legale) Wirklichkeit werden. Sie hat nämlich nach wie vor den Verkauf von Gemeindewohnungen im Programm.

Konkret sollen Mieter, die über einer bestimmten Einkommensgrenze liegen, die Möglichkeit erhalten, die städtische Sozialwohnung erwerben zu können. Von "Kaufoptionen im Gemeindebau" spricht der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch. Wie hoch das Limit sein soll, darauf wollen sich die Schwarzen nicht festlegen. "Zahlen stehen nicht im Mittelpunkt", sagt Wohnbausprecher Wolfgang Ulm. Derzeit liegt die Grenze, um sich noch für eine Gemeindewohnung bewerben zu können, für eine Person bei 3250 Euro netto im Monat.

Gehaltscheck gefordert

Die ÖVP fordert – wie auch die Neos – einen Gehaltscheck, der alle fünf Jahre von Wiener Wohnen durchzuführen ist. Wird die Grenze überschritten, sollen Mieter ausziehen, marktgerechte Mieten zahlen oder eben die Gemeindewohnung kaufen können.

Die Wiener SPÖ unter Stadtchef Michael Ludwig lehnt das ab. Insbesondere der Verkauf von Gemeindewohnungen kommt für sie nicht infrage. Regelmäßige Einkommenschecks hat sie nur in einem Teilsegment ihrer Wohnbauförderung – der Superförderung – eingeführt. Dort droht Mietern aber nicht der Verlust der Wohnung oder eine marktkonforme Miete, sondern bloß eine geringfügig höhere. Ein ähnliches Modell verfolgt die Stadt Salzburg bei ihren Gemeindewohnungen.

Berlin als Negativbeispiel

Als abschreckendes Beispiel für den Verkauf von Sozialwohnungen dient für die SPÖ Deutschland. Dort haben viele Städte seit den 90ern hunderttausende Einheiten verkauft. Nun wollen viele die Situation am Wohnungsmarkt, mit einer Mietpreissteigerung von mehr als 60 Prozent seit 2009, nicht hinnehmen. Ab 6. April findet ein Volksbegehren statt, dessen Kernforderung es ist, die Bestände großer Wohnkonzerne wieder zu "vergesellschaften" – sprich zurückzukaufen.

Finanziell wäre das eine gewaltige Herausforderung; nicht zuletzt deshalb, weil man heute dafür sehr viel mehr Geld zahlen müsste, als man einst dafür bekam. Die Investoren haben nach der Privatisierung deutliche Mietpreiserhöhungen durchgesetzt.

Keine Zuschläge

Höhere Mieten wären auch die Folge von Gemeindewohnungsverkäufen in Wien. Denn ein Käufer könnte sie auch viel teurer weitervermieten. Sämtliche Wohnungen – in Alt- wie in Nachkriegsbauten – werden von der Stadt derzeit lediglich zum Wiener Richtwert von 5,58 Euro je Quadratmeter neu vergeben. Auf Zuschläge, die das Richtwertgesetz erlauben würde, verzichtet man. Ein Käufer könnte bei der Weitervermietung diese Zuschläge lukrieren.

"Bei einer Wohnung in einem denkmalgeschützten Gemeindebau aus der Zwischenkriegszeit könnte man sogar einen 'angemessenen' Mietzins verlangen, also de facto Marktmiete", erklärt AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka. Ebenso wäre es in einem nach 1945 errichteten Gemeindebau ohne Denkmalschutz.

Verhindern ließe sich das Weitervermieten oder -verkaufen zu Marktpreisen aus verfassungsrechtlichen Gründen wohl nur eine Zeitlang. Der Chef der Wiener Immobilientreuhänder, Michael Pisecky, würde eine Frist von zehn bis 20 Jahren für gerechtfertigt halten. Die Spekulationsfrist bei gemeinnützigen Mietkaufwohnungen, die den sofortigen Weiterverkauf verhindern soll, liegt bei zehn Jahren.

Aber was würde ein Verkauf von Gemeindewohnungen an deren Mieter überhaupt finanziell einbringen? Pisecky schätzt, dass man die Wohnungen mit einem Abschlag von 30 bis 40 Prozent vom Marktwert zum Kauf anbieten müsste. Ähnlich war es vor rund 15 Jahren, als die Stadt Kleingartenliegenschaften an deren Pächter verkaufte; Preisabschläge bis zu 45 Prozent stellte der Rechnungshof hier fest – und kritisierte diese.

Aufstocken statt verkaufen

Der oberste Immobilientreuhänder Wiens hält es prinzipiell für keine gute Idee, Gemeindewohnungen zu verkaufen. "Auch wenn man das Geld theoretisch sofort in den Neubau stecken könnte: Im Bestand gibt es die günstigsten Wohnungen. Diese rauszuverkaufen wäre verkehrt." Pisecky appelliert seit Jahren an die Stadt, Aufstockungen von Gemeindebauten durch gewerbliche Bauträger zuzulassen.

Bei der FPÖ, die 2020 ebenso auf Stimmen aus dem Gemeindebau hofft, gibt man sich indifferent: Der geschäftsführende Landesparteiobmann Johann Gudenus beantwortete im November 2018 die Frage nach einem Gehaltscheck ausweichend, wichtiger ist ihm eine bevorzugte Vergabe an österreichische Staatsbürger. (David Krutzler, Martin Putschögl, 11.3.2019)