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Das russische S-400-Raketenabwehrsystem wird bei der Militärparade am Tag des Sieges auf dem Roten Platz in Moskau vorgeführt.

Foto: Reuters / Sergei Karpukhin

Der geplante Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400 entwickelt sich für die Türkei immer mehr zum Problem. Das US-Außenministerium bat Ankara vergangene Woche nochmals, den Kauf zu überdenken, das Pentagon warnte am Freitag vor "ernsten Konsequenzen". Sollte sich Ankara für die russischen Abwehrraketen anstatt für das US-Patriot-System entscheiden, könnte die Türkei aus dem Programm der F-35-Kampfjets fliegen.

Außerdem könnte es Auswirkungen auf zukünftige Waffenlieferungen haben. Selbst Sanktionen sind denkbar. Das Angebot der USA läuft Ende des Monats aus. Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay entgegnete, man werde sich Drohungen nicht beugen.

Nato-Systeme passen nicht

Der Konflikt um den Kauf des Raketenabwehrsystems schwelt schon länger. Das russische S-400 ist mit Nato-Systemen nicht kompatibel, und Washington fürchtet, dass russische Militärs so Einblick in amerikanische Waffentechnik bekommen könnten. Bisher ist aber der türkische Präsident Tayyip Erdoğan noch nicht von seinen Plänen abgerückt – der Vertrag ist bereits unterschrieben und eine erste Anzahlung geleistet. Die Installation des Systems soll im Oktober 2019 beginnen. Sollte das Geschäft tatsächlich vollständig abgewickelt werden, könnten US-Sanktionen drohen, und Washington könnte türkische Firmen aus den Lieferketten für die Produktion des neuen Kampfflugzeugs F-35 werfen.

Das russische Waffensystem ist um eine Milliarde Dollar billiger als das 3,5 Milliarden teure US-Patriot-System. Es ist außerdem schneller einsatzbereit und hat eine größere Reichweite. Außerdem, so die türkische Argumentation, brauche das Land verschiedene Waffensysteme, um auf unterschiedliche Bedrohungen in der Region zu reagieren. Zudem hätten in der Vergangenheit auch andere Nato-Länder russische Waffensysteme gekauft – darunter die Slowakei und der Nachbar Griechenland.

Ankara darf nicht mehr zollfrei in USA exportieren

Problematisch wirkt sich der Streit auf das ohnehin schon angeschlagene türkisch-amerikanische Verhältnis aus. Die Lira verlor in der vergangenen Woche mehr als drei Prozent ihres Wertes im Vergleich zum US-Dollar. Außerdem hatte Präsident Donald Trump am Dienstag verkündet, die Türkei werde von der Liste der Länder gestrichen, die zollfrei Waren in die USA exportieren können. Tatsächlich stammt die Regelung aus dem Jahr 1976, aus einer Zeit, in der die Türkei noch als Entwicklungsland galt.

Ankaras Weigerung, von dem Geschäft abzurücken, mag auch innenpolitisch motiviert sein. Am 31. März finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Antiamerikanismus ist in der Bevölkerung weitverbreitet. Und so dürfte es bei der konservativen und nationalistischen Klientel gut ankommen, wenn Erdoğan sich dem Druck nicht beugt. Wirtschaftlich aber könnte es für die Türkei schmerzhaft werden.

Labile Beziehungen

Schon im Sommer hatte der Streit um den in der Türkei inhaftierten US-Pastor Andrew Brunson zu einer diplomatischen Krise geführt. Trump verhängte zeitweise Wirtschaftssanktionen. In der Folge stürzte die türkische Währung zeitweise um bis 40 Prozent ab. Darunter leidet die türkische Wirtschaft bis heute.

Auch in Syrien verfolgen die Nato-Partner unterschiedliche Ziele. Während die USA die kurdischen Milizen im Kampf gegen den IS unterstützen, will die Türkei im Norden Syriens einen Sicherheitskorridor unter Kontrolle der türkischen Armee errichten. Auch wiegt die Enttäuschung darüber schwer, dass der US-Truppenabzug nicht wie angekündigt stattfindet. Die USA wollen dauerhaft mindestens 200 Soldaten in der Region lassen und die kurdischen Milizen unterstützen.

Moskau dagegen dürfte sich über die Verstimmung zwischen Washington und Ankara freuen. Das S-400-System gilt als russischer Exportschlager, auch Indien kaufte jüngst in Russland ein. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 11.3.2019)