Die Linzerin Edeltraud Stiftinger, AWS-Chefin, hat kein Patentrezept, um mehr Frauen in die Start-up-Szene zu führen. Sie sagt: "Ein langer Weg. Wir dürfen nicht aufgeben."

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Zahlen können ernüchternd sein, wenn man sie in Relation setzt: Nur etwa 34 Prozent der 283.000 Jobs in Österreichs Wissenschaft und Technik werden von Frauen ausgeübt. Mit dieser von Eurostat erhobenen Quote liegt das Land innerhalb der EU unter den Schlusslichtern. Dahinter sind nur Deutschland (33 Prozent), Finnland (29), Luxemburg und Ungarn (jeweils 25 Prozent) zu finden. So wenig fortschrittlich Österreich sich in diesem Ranking auch offenbart, es erscheint vergleichsweise noch immer besser als der Frauenanteil unter den Firmengründern.

Nicht einmal ein Drittel (29 Prozent) der Start-ups hat eine Frau im Gründungsteam. "Und wenn wir auf die Geschäftsführungsebene gehen, werden es noch weniger Frauen", sagt Edeltraud Stiftinger, gemeinsam mit Bernhard Sagmeister Geschäftsführerin der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS).

Im Life-Sciences-Bereich seien es um die zehn Prozent, bei Unternehmen in Bereichen wie Maschinenbau oder Informationstechnologie noch weniger, wie Daten aus dem im vergangenen Jahr präsentierten Start-up-Monitor vom Austrian Institute of Technology (AIT), von der Start-up-Dachplattform Austrian Start-ups und dem Gründungszentrum der Wirtschaftsuniversität Wien zeigen.

Tradierte Rollenmuster

Über die Gründe für diese "dramatisch geringe Anzahl" (Stiftinger) wird seit Jahren diskutiert: Es dürfte ein Bündel an Faktoren sein. "Im Betreuungsbereich von Kindern bis zum zehnten Geburtstag sind fast ausschließlich Frauen beschäftigt, die ihrerseits auch nie mit technischen Innovationen konfrontiert wurden", sagt die AWS-Chefin. Ursachen seien auch in der Erziehung durch die Eltern zu finden, die wohl immer noch reich an alten Rollenmustern sei. Die fehlende Gleichstellung von Männern und Frauen in der Wirtschaft dürfte auch dazu beitragen. "Und letztlich sind Frauen weniger risikobereit als Männer", räsoniert Stiftinger.

Eine Patentlösung hat sie nicht parat, sie sagt nur: "Wir haben da noch einen langen Weg vor uns und müssen Geduld haben, dürfen nicht aufgeben." Für das AWS-Programm First, das junge, gründungswillige Geister zwischen 18 und 26 Jahren ansprechen soll, wurde eine junge weibliche Programmkoordinatorin eingesetzt, "um eventuelle Hemmschwellen gar nicht erst aufkommen zu lassen". Im auch eher männlich dominierten Schulwettbewerb "Jugend innovativ", der von Wirtschafts- und Bildungsministerium ausgerichtet wird, versucht man eigens, Schülerinnen anzusprechen, zum Beispiel von der Modeschule Hetzendorf.

Werkzeuge zur Unterstützung von Start-ups

Nicht aufgeben, nicht nachlassen ist auch Stiftingers Credo bezüglich der heimischen Gründerszene im Allgemeinen. Man habe mit den Programmen "Preseed" (für die Vorgründungsphase) und "Seed" (für die Gründungsphase) etwa zwei mittlerweile etablierte Werkzeuge zur Unterstützung von Start-ups zur Hand, die, so die AWS-Chefin, einen "großartigen Trackrecord" haben. Statistiken hätten gezeigt, dass Firmen, die die speziellen AWS-Programme in Anspruch nehmen konnten, nach sechs Jahren eine Überlebenschance von 80 Prozent haben. Die vergleichbare Überlebensquote ohne diese Unterstützung lag nach sechs Jahren bei 63 Prozent. "Seed" sei auch ein im Fall des Erfolgs zurückzuzahlendes Finanzierungsmittel. "Allein an den Rückflüssen sehen wir, dass diese Gründungen erfolgreich sind", sagt Stiftinger. Sie meint, in so einer Situation bestehe prinzipiell die Gefahr, zufrieden zu sein, sich zurückzulehnen, die Mittel zu kürzen. Das aber wäre ein Problem. "Da dürfen wir auch keinesfalls nachgeben."

Generell habe sich die Start-up-Szene in den letzten Jahren gut entwickelt. Hochschulabsolventen und andere innovative Köpfe trauen sich wieder mehr zu, auch die private Finanzierung von Firmengründungen sei angestiegen. Über den Gründerfonds, eine AWS-Tochter, der nur gemeinsam mit privaten Investoren Geld zur Verfügung stellt, seien zuletzt 50 Millionen Euro geflossen. "Die Politik hat erkannt, dass Start-ups Innovationstreiber sind." Von einem Idealzustand sei man freilich immer noch weit entfernt. Stiftingers Fazit: "Es gibt mehr gute Ideen für Gründungen als Mittel." Schwerpunkte gebe es in den Bereichen Life-Sciences, zuletzt vermehrt auch in Themen wie Digital Health, Weltraum, Luftfahrt oder Artificial Intelligence. Man habe derzeit 25.000 Unternehmen im Portfolio – "das ist schon ein ordentlicher Hub", sagt Stiftinger. Das seien immerhin sieben bis acht Prozent der österreichischen Unternehmen.

In der F&E-Förderszene habe man im Lauf der Jahre eine klare Positionierung erarbeitet. Stiftinger sieht keinerlei Überschneidungen mit der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. "Wir sind im Innovationsprozess dort, wo Forschung zu Innovation wird, mit der man am Markt auch Geld verdienen will – davor kommt die FFG. Das für Mai geplante Forschungsfinanzierungsgesetz sieht sie als längst fälligen Schritt, um mehrjährige Finanzierungen von Förderagenturen wie AWS oder FFG oder den für Grundlagenforschung zuständigen Wissenschaftsfonds FWF zu garantieren.

Notwendiger Kulturwandel

Hat Stiftinger Wünsche für die Zukunft? Die AWS selbst sieht sie natürlich auf einem guten Weg. Man habe den Anspruch, mit den Gründern auf Augenhöhe zu kommunizieren – auch technisch. Deswegen wurden die Abläufe in der Förderbank und im gesamten Förderprozess digitalisiert. Neben einer besseren Frauenquote unter Unternehmensgründern wünscht sie sich aber noch einen deutlichen Kulturwandel. "Das Scheitern einer Firmenidee wird hierzulande immer noch als Manko betrachtet. Es ist Zeit, dass wir das als Erfahrungsschatz betrachten, denn zweimal wird man bestimmte Fehler in der Gründungsphase sicher nicht machen." Ein klein wenig mehr amerikanischer Gründergeist könnte nicht schaden, aber vielleicht ist auch das eine Frage von Geduld und Hartnäckigkeit. (Peter Illetschko, 11.3.2019)