Kabul – Taliban-Gründer Mullah Omar lebte einem neuen Buch zufolge jahrelang in unmittelbarer Nähe eines US-Stützpunkts in Afghanistan. Während die US-Geheimdienste davon ausgingen, dass Omar nach dem Sturz der Taliban 2001 nach Pakistan geflohen war, lebte er nach Angaben der Autorin in seiner Heimatprovinz Zabul im Süden Afghanistans – nur knapp fünf Kilometer von einem US-Stützpunkt entfernt.

Für das Buch "Searching for an Enemy" ("Suche nach einem Feind") hat die niederländische Journalistin Bette Dam mehr als fünf Jahre recherchiert und Omars Leibwächter Jabbar Omari interviewt, der ihn nach dem Sturz der Taliban versteckt und beschützt hatte.

Die Taliban waren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 durch eine US-geführte Militäroffensive in Afghanistan gestürzt worden. Omar wurde zu einem der meistgesuchten Männer der Welt, die USA setzten ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar (8,9 Millionen Euro) auf den Taliban-Anführer aus.

Hinter Holzhaufen versteckt

Der Biografie zufolge lebte Omar zunächst in der Provinzhauptstadt Qalat. Der Familie, die ihn versteckte, wurde nicht gesagt, wer ihr Gast ist. Die US-Truppen hätten ihn aber zwei Mal fast gefunden, schreibt die Journalistin. Einmal habe sich eine US-Patrouille genähert, als Omar und Omari im Hof gewesen seien. Die Männer hätten sich aber schnell hinter einem Holzhaufen versteckt und die Soldaten seien vorbei gegangen.

Beim zweiten Mal hätten US-Soldaten sogar das Haus durchsucht, aber nicht den versteckten Eingang zum Geheimraum Omars gefunden, heißt es in dem Buch weiter. Ob es sich um eine Routinedurchsuchung handelte oder die US-Truppen einen Tipp bekommen hatten, ist demnach unklar.

Stützpunkte als Nachbarn

Omar wechselte dem Buch zufolge sein Versteck, als die US-Truppen 2004 anfingen, nur wenige hundert Meter entfernt den Stützpunkt Lagman zu errichten. Nach seinem Umzug wurde in der Nähe aber wieder ein Stützpunkt gebaut. Auf dem US-Stützpunkt Wolverine waren tausend Soldaten stationiert, mitunter auch Spezialkräfte aus den USA und Großbritannien.

Trotz großer Angst vor Entdeckung habe Omar sich nicht getraut, noch einmal umzuziehen, schreibt Dam. Er habe nur noch selten das Haus verlassen und sich vor US-Flugzeugen in Tunneln versteckt. Dam beschriebt, dass der Taliban-Anführer wie ein Einsiedler lebte. Er lehnte demnach sogar Besuche von Familienmitgliedern ab und schrieb Notizbücher in einer Geheimsprache voll.

Dem Buch zufolge sprach Omar aber oft mit seinem Wachmann und seinem Koch. Er benutzte demnach ein altes Nokia-Handy ohne Sim-Karte, um Koran-Verse aufzunehmen. Er hörte demnach den britischen Sender BBC in Paschtu, äußerte sich aber nur selten zu den Nachrichten – nicht einmal, als er vom Tod von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden erfuhr.

Omar starb 2013. Die Taliban hielten seinen Tod noch zwei Jahre lang geheim. (APA, 11.3.2019)